Licthbild-Bühne (November 1912)

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No. 47 L • B • B Seite 13 Ein „Fluchblatt“ über den Kinematographen in Sicht. S olgendes Flugblatt ist in Vorbe¬ reitung und soll in Massen ver¬ breitet werden: Die Unterzeichneten bitten Sie, die¬ ses Flugblatt zu lesen, die unten ange¬ fügte Bescheinigung zu unterschreiben und mit Ihrem Kinde der Schule zu¬ rückzusenden. Das Flugblatt gehört Ihnen und möchte Sie aufmerksam machen auf einen wichtigen Miterzieher unserer Jugend, auf das Kinematographenthea- ter. Viele Eltern nehmen ihre Kinder mit in den sogenannten ,,Kientopp“, ohne daran zu denken, was ihre Kinder dort zu sehen bekommen könnten. Diese Theater bieten für wenig Geld wirklich viel Unterhaltung und Ver¬ gnügen; aber für Kinder sind die aller¬ meisten Vorstellungen nicht geeignet. Der größte Teil der Films, die fast alle aus Frankreich und Amerika zu uns kommen, handelt von aufregenden Vorgängen aus dem Verbrecherleben, von Diebstahl, Betrug und Mord. Die längeren Stücke sind fast immer rühr¬ selige Liebesszenen und schildern ein¬ gehend Verführungen und Ehebruch. Das Schreckliche und Unanständige macht nämlich der Kinematograph zur Selbstverständlichkeit, das Böse zu et¬ was Alltäglichem. Dadurch vermittelt er den Kindern eine falsche Weltan¬ schauung. Sie wirkt um so mehr auf den empfänglichen Geist der Jugend, weil die Handlungen den Kindern als Wirklichkeit und Wahrheit erscheinen. Dabei muß man bedenken, daß Kinder gut behalten und gern nachahmen. Für nicht wenige von ihnen entsteht also eine große Gefahr. Auffällig ist, daß besonders viele größere Mädchen sehr gern in den Kinematographen gehen. Bei dem unklaren Gemütszustände und der reizvollen Einbildungskraft, die den Entwickelungsjahren eigen sind, finden sie in den Bildern ein dunkel er¬ sehntes Entgegenkommen. In ihnen reißt der Kinematograph oft durch eine einzige Vorstellung ein, was Mutter¬ liebe und Vatersorge, Schule und Haus in jahrelanger Mühe aufbauten. Wenn Sie Ihr Kind in den Kinema¬ tographen mitnehmen wollen, überzeu¬ gen Sie sich vorher, was es zu sehen gibt! Noch gefährlicher ist es, die Knaben und Mädchen allein zu den Vorstellun¬ gen gehen zu lassen. Nachmittags sind die Theater gewöhnlich nicht voll be¬ setzt, und die Kinder können stunden¬ lang hier verweilen in schlechter und qualmiger Luft. Frische Luft und Licht tun in den Jahren des Wachstums be¬ sonders not; im Kinematographen haben die Jungen gute Gelegenheit, unbe¬ merkt zu rauchen. Auch sittlichen Ge¬ kostet das Abonnement pro Quartal auf die „Liditbild-Bühne“ Bisher ersch. Nummern liefern wir gern nach. Verlag der 9 ,Liditbild - Bühne“, Berlin SO. 16, Nidiaelkirchstr. 17. fahren sind die Kinder in dem ver¬ dunkelten Raume ausgesetzt; sie be¬ finden sich in einer ständig wechseln¬ den, ihnen und ihren Eltern unbekann¬ ten Gesellschaft der verschiedensten Personen. Senden Sie Ihr Kind nicht allein in den Kinematographen! Durch die nie¬ drigen Eintrittspreise ist vielen Kindern ein häufiger Besuch der Theater mög¬ lich; er wird ihnen leicht zur Gewohn¬ heit. Unaufmersamkeit und Zerstreut¬ heit in der Schule zeigen sich bald, und mangelhafte Fortschritte sind die Fol¬ gen. Die Eltern haben die Sorgen und den Kummer. Hang zum Vergnügen und Unlust zur Arbeit sind es, die heute vielen jungen Leuten zum Verderben werden, und die Erziehung zur Spar¬ samkeit ist nicht nur in teuren Zeiten gut und notwendig. Sorgen Sie dafür, daß Ihr Kind nicht heimlich in den Kinematographen geht! Damit es aber auch an dieser Er¬ findung sich ohne jede Gefahr erfreuen kann, schlossen die Unterzeichneten einen Vertrag ab mit den Kinemato- graphenbesitzern an folgenden Orten unserer Stadt: —. Diese Theater sind verpflichtet, jeden Montag, Mittwoch und Sonnabend nachmittags von 5 bis 7 Uhr eine Vorstellung für die Jugend zu geben mit Darbietungen, die von uns sorgfältig geprüft worden sind. Damen und Herren haben sich bereit erklärt, während der ganzen Dauer der Vor¬ stellung die Aufsicht zu übernehmen. Alle Bilder werden vorher in leicht¬ verständlicher Weise erklärt und, wo es notwendig ist, zweimal vorgeführt. Es sollen nicht nur belehrende Films aus dem Lehrstoff der Schule, sondern auch unterhaltende Aufnahmen aus dem Leben abgerollt werden. Die Kinder können das Volk bei der Arbeit in Stadt und Land, im Verkehr zu Wasser und zu Lande, bei Sport und Spiel be¬ obachten. Neue Entdeckungen und Er¬ findungen, Reisen, Abenteuer und Märchen, Heer und Marine, Pflanzen¬ welt und Tierleben seien Ihnen als Bei¬ spiele aus der Reichhaltigkeit der Auf¬ nahmen genannt. Auch humorvolle und farbenprächtige längere Stücke werden nicht fehlen. — Da die Stadt einen Teil der Kosten trägt, konnte der Eintritts¬ preis für Kinder auf fünf, für Erwach¬ sene auf fünfzehn Pfennige ermäßigt werden. Wir würden uns freuen, wenn Sie Ihr Kind in die von uns veranstalteten Vorstellungen begleiten könnten! Helfen Sie uns mit, daß in den Kine- matographen-Theatern schließlich nur Gutes geboten werden kann; es wird für Jugend und Volk von Segen sein. Ich bescheinige hiermit, daß ich das Flugblatt über Kinematographie er¬ halten und gelesen habe.