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Seite 36 L ■ B ■ B No. 47 Annahme eines Beschlußantrages fol¬ genden Wortlauts: „Manches Kino ist in seiner jetzigen, zumeist in Erscheinung tretenden Form durch die vielen geschmacklosen, sexu¬ ellen und kriminellen Schundfilms eine große Gefahr für die Jugend, insbeson¬ dere für die Schuljugend. Durch seine Darstellungen wird der Wirklichkeits¬ sinn getrübt, — die Grenze von Recht und Unrecht verwischt, — die Ver¬ rohung verstärkt, — das Schamgefühl geschwächt, — Verführung erleichtert, — ja eine Neigung zur Verübung von Verbrechen kann leicht entstehen. Außerdem wird das Nervensystem über¬ reizt, das ästhetische Empfinden ver¬ dorben und das Kind zu leichtfertigen Ausgaben, zur Unwahrhaftigkeit und Unehrlichkeit veranlaßt. Auch die meisten Reklamebilder sind häßlich und oft sittlich anstößig. Darum muß das Kino bis zu seiner Gesundung als eine Macht des Bösen bekämpft werden. Wir wirken unmittelbar auf die Kinder ein durch gänzliches Verbot der kine- matographischen Vorstellungen mit Ausnahme der Kinder- und Jugendvor¬ stellungen, zeitliche Beschränkung — nach 6 Uhr abends nicht mehr —, die Films zu den gestatteten Vorstellungen müssen sorgfältig geprüft sein, und die Darbietungen bedürfen der Ueber- wachung. Wir wirken mittelbar ein durch Weckung des Gewissens der El¬ tern an Elternabenden, Versammlungen der Jugendschutzvereine sowie durch Beeinflussung der Presse — durch Schaffung örtlicher Ausschüsse zur Förderung der Schul- und Volkskine¬ matographie — durch Einführung des stehenden und beweglichen Lichtbildes in den Schulen." Die Leipziger Jugendvereine als Kino- Reformer. Wir entnehmen dazu der „Leipziger Volkszeitung" folgendes: „ Wie gewaltig der Gedanke der Jugendorganisation unter Leipzigs proletarischer Jugend Wurzel geschlagen hat, zeigte die erste diesjährige Winterveranstaltung der Leipziger Jugendvereine. Ueber 1200 Jugendliche drängten sich am Sonntag in der Lindenauer Turnhalle. Genosse Laube sprach über das obige Thema unter Vorführung von Beispielen und Gegenbeispielen. Die sehr lehrreiche Einführung besitzt höheres Interesse, deshalb sei sie kurz wiedergegeben. Als es nach mühseligen Versuchen in Frankreich und Amerika durch Zu¬ sammenstellen einzelner Bilder gelang, die eigentliche Kinematographie zu er¬ ringen, da setzte man allerwärts die größten Hoffnungen auf diese neue Kul¬ turerrungenschaft. Um 1889 kamen in Deutschland die ersten Kinemato- graphentheater auf. Die Vorführungen wurden meist der Natur entnommen. Wasserfälle, Flußläufe, das Heran¬ brausen eines Eisenbahnzuges u. a. wurden auf die Leinwand gebracht. Es dauerte nicht lange, so benutzten rei¬ sende Schausteller das Kino als Objekt. Auf Jahrmärkten, in Varietes wurden unter großem Tamtam die Leute zum Beschauen dieser Aufnahmen einge¬ laden. Die Unternehmer mußten im Geschäftsinteresse den Massen ent- gegenkommen. Der Kinematograph wird zum bloßen Befriediger der Schau¬ lust und verflacht. Verschiedenerlei Umstände führten jedoch dazu, daß sich der Kino auf den Jahrmärkten bald „abspielte". Dafür drang er in die Städte ein. Die Fortschritte der Tech¬ nik ermöglichten ihm hier die bekannte große Ausbreitung. Selbst die größeren Dörfer haben heute oft ihren Kino. Ge¬ genwärtig bestehen deren gegen 3000 in Deutschland. Ziele, wie Bildung und Aufklärung haben sich die landläufigen Kinos nicht gesteckt. Aktuellität, Nervenkitzel, Szenen an der Grenze des erlaubten Sittlichen und aus der Ver¬ brecherwelt, diese Stoffe beherrschen den Filmmarkt. Die einzelnen Theater¬ besitzer sind machtlos, da sie auf die großen Filmfabrikanten resp. Lieferan¬ ten angewiesen sind, die natürlich nur das auf den Markt bringen, was „geht". Wie groß die Gefahr bereits ist und wie die Volksbildung stark darunter leidet, konnte der Redner aus eigener Erfah¬ rung an Beispielen beweisen. Diese großen Hindernisse wahrer Volksauf¬ klärung gelte es aus dem Wege zu räumen. Dazu ist der Zusammenschluß aller vorwärts strebenden Kräfte er¬ forderlich. Vor allem aber die Jugend müsse aus sich selbst heraus gegen das Schlechte ankämpfen. Es werde dann sicher ein Fortschritt eintreten, genau so wie beim Kampf gegen die Schund¬ literatur. Aus den Programmen der üblichen Kinos führte der Redner sodann einige Films vor. Grausige Mordtaten, spie߬ bürgerliche Rührszenen, die zugleich das Christentum verherrlichten, dann soge¬ nannte humoristische Sachen, wo eine Unmöglichkeit die andere jagt. — An einer Reihe gelungener guter Vorfüh¬ rungen trat sodann der Wert der Kine¬ matographie augenfällig zutage. Fremde Länder, in die zu gelangen es uns un¬ möglich ist, lernen wir zugleich mit der Lebensart und Kleidung ihrer Bewohner kennen. Fabrikationsvorgänge, die dem Inserate In öer „G. B. B.“ haben den gröbten Erfolg. einzelnen verschlossen bleiben, ziehen an unserem Auge vorüber. Urwälder, Naturerscheinungen und Tiere, die wir bei uns kaum im Zoo sehen, schauen von der Leinwand herab. Auch die Möglichkeit eines gesunden Humors im Kino wurde durch einige vielbelachte Vorführungen bewiesen. — Alles in allem hat die trefflich gelungene Veran¬ staltung wieder gezeigt, daß die Ar¬ beiterschaft bei ihrer Jugendarbeit auf dem richtigen Wege geht. Sache der Eltern ist es nun, durch Einführung ihrer schulentlassenen Kinder in die Jugend¬ vereine dieser Kulturarbeit noch höhere Erfolge als bisher zu gewährleisten." Unsere Dramatiker als Kino-Dichter. Zu der Nachricht, daß Gerhart Hauptmann, Max Halbe, Ernst v. Wol- zogen und andere Schriftsteller jetzt Kinodramen zu dichten beginnen, äußert sich v. Wolzogen in einem längeren Schreiben: „Richtig ist, daß in jüngster Zeit ver¬ schiedene in- und ausländische große Firmen an alle namhaften Dramatiker Deutschlands herange^reten sind, um sie für die Hebung der Filmdramatik zu in¬ teressieren, und daß der Verband der deutschen Bühnenschriftsteller mit einer dieser Firmen eine Vereinbarung ge¬ troffen hat, die seinen Mitgliedern unter Umständen glänzende Einnahmen sichert; aber ich fürchte, daß sie eben¬ sowenig wie Hauptmann und Halbe da¬ von profitieren werden, überhaupt kein Dichter, dessen Stärke in der Psycho¬ logie, in der Erweckung poetischer Stimmung, im Reiz des sprachlichen Ge¬ wandes beruht. Brauchbare Film¬ dramatiker werden sicherlich nur solche Dichter werden, die spannende Hand¬ lungen, packende Situationen zu erfin¬ den und mit ihrer Tendenz das Massen¬ empfinden zu treffen wissen, „Die Weber" könnten also möglicherweise ein packendes Kinodrama abgeben — obwohl auch sie natürlich in solchem stummen, zweidimensionalen Zustande ihrer tiefsten Wirkung beraubt würden. Im allgemeinen aber fürchte ich, daß wir uns um die Hebung des Kinos ziem¬ lich vergeblich bemühen werden, denn das Bessere, das möglicherweise bei den Bemühungen vereinzelter wirklicher Poeten herauskommen könnte, das dürfte schwerlich dem Massenge¬ schmack Zusagen und folglich die Massen von den Kassen fernhalten — was wiederum nicht nach dem Ge¬ schmack der Unternehmer sein dürfte! Die Masse wird sich in Ewigkeit dem Schlechteren zuwenden, vorausgesetzt/ daß es ebenso billig zu haben ist wie das Bessere. Das künstlerisch veredelte Lichtspieltheater wird bestenfalls eine Zeitlang eine beliebte Mode-Unterhal¬ tung für kultivierte Leute abgeben, —