Lichtbild-Bühne (June 1913)

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Kunst und Literatur und ihre Rechtsbeziehungen zum Kinematographen. Rechtsanwalt Dr. Georg Wolffsohn, Berlin. Von i l|SIIie junge Erfindung des Kine- matographen gibt auch dem Juristen viel zu denken. Eine Fülle von Rechtsproblemen ist durch die Entwicklung der Kinematographie in den letzten Jahren aufgedeckt, die größtenteils noch der Lösung harren. Spezialisten sind eifrig am Werke. Auch soweit bestehendes Recht an¬ zuwenden ist, bietet doch der Tat¬ bestand, der zur Entscheidung vor¬ liegt, unseren Gerichten nicht selten Schwierigkeiten, die eine richtige Subsumierung unter die Gesetzes¬ norm zur neuen Rechtsfrage machen. Wie dann aus der Schale der Kern herausgelöst, in das Dunkel, das über der Materie lag, das Licht hinein¬ getragen wird, ist so interessant, wie nur irgend möglich. In der Aera des sog. Autorenfilms sind es vor¬ nehmlich zwei Fragen, die Beachtung verdienen und deshalb außer der Reihe zerstreut behandelt werden sollen: Wie hat. sich der Zensor gegenüber dem literarischen Film zu verhalten, und wie schützt sich der Autor eines Werkes gegen die mi߬ bräuchliche Verwertung des literari¬ schen Titels für Filmprodukte? Beide Fragen sollen hier lediglich de lege lata, vom Standpunkt des gel¬ tenden Rechts aus beleuchtet wer¬ den. Die zuerst meines Wissens wohl von Hellwig angeregte Kontroverse über ethische oder ästhetische Film¬ zensur lassen wir hiernach beiseite, wiewohl sie durch den württember- gischen Gesetzentwurf in ein neues Licht gerückt worden ist. Literarisch ist ein Film nicht nur dann zu nennen, wenn er einen Gegenstand der Lite¬ ratur behandelt — auch der Nicht¬ autorenfilm kann literarisch sein —, er muß vor allem künstlerisch gestal¬ tet und künstlerisch ausgeführt sein. Das letztere sollte er natürlich mit anderen Films gemein haben. Nach dem Grundsatz: gleiches Recht für alle, darf der Maßstab der Zensur kein anderer sein, als beim nichtliterari¬ schen Film. Er ist hiernach zu ver¬ bieten, wenn die Darstellung die Ge¬ fährdung polizeilicher Interessen be¬ sorgen läßt, und zu genehmigen, wenn dies nicht der Fall ist. Eine Beein¬ trächtigung dieser Interessen wird je¬ doch noch keineswegs durch die bild¬ liche Veranschaulichung verbreche¬ rischer Vorgänge im Film herbeige¬ führt. Der Grundsatz des Berliner Polizeipräsidiums, jeden Film zu ver¬ bieten, nur weil er eine strafbare Handlung zur Darstellung bringt, be¬ ruhte auf einer schulmeisterlichen Auffassung der zensurpolizeilichen Aufgaben und ist auch jetzt wohl aufgegeben. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts hat ihren Teil dazu beigetragen. Wahre Kunst wird auch die Räuber meistern. Erst die Art und Weise, wie die an und für sich vielleicht strafbare Hand¬ lung dargestellt und verwertet wird, und die äußeren Umstände, unter de¬ nen dies geschieht, können eine zum polizeilichen Einschreiten berechti¬ gende Gefahr darbieten. (Entsch. des Oberverwaltungsgerichts Band 43 Seite 303). Besonders klar ist dieser Gedanke in einem bisher noch nicht veröffentlichten Urteil des Oberver¬ waltungsgerichts vom 24. April 1913 präzisiert (III A 71 12), wo es heißt: ,,Alle Vorführungen auf dem Theater oder durch den Kinematographen, welche juristisch den Tat¬ bestand einer strafbaren Handlung enthalten, we¬ gen der Gefahr etwaiger Nachahmung zu verbie¬ ten, läßt sich nicht recht- fertigen.“ Dies alles ist ge¬ wiß bei jedem Film zu beachten, muß aber für den literarischen Film einmal ausdrücklich ausgesprochen werden. Andererseits wird beim literarischen Film gerade der Kunst¬ wert häufig zu Beanstandungen An¬ laß geben, wo sonst weniger wert¬ volle Ausführung eine Gefährdung für das Publikum durch das Bild nicht hervortreten läßt. Die Plastik des großen Schauspielers wird bei der Darstellung desselben Vorgangs un¬ gleich tiefer wirken wie mimisches Durchschnittsvermögen. Den Ein¬ fluß künstlerischer Gestaltung kann und darf der Zensor bei der Beur¬ teilung des Bildes nicht ausschalten, wenn er sein Amt richtig verstehen und ausfüllen will. Umgekehrt wird man auch davon ausgehen müssen, daß auch bloße Geschmacklosig¬ keiten sehr wohl geeignet sein kön¬ nen, ein polizeiliches Interesse zu be¬ rühren und zum Zensurverbot zu führen. Schriftsteller von Ruf sind in der letzten Zeit gegen die sog. Titelräuber in der Kinematographenbranche zu