Lichtbild-Bühne (June 1913)

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Seite 124 „DER KINO-REGISSEUR" • SONDERBEILAGE IN DER LUXUS-AUSGABE DER LICHTBILD-BÜHNE alle in Angstschweiß gebadet waren, uns wie einen Stoß Bretter kreuz und quer übereinander geschichtet, um uns Gelegenheit zum Trocknen zu geben. Die Korrespondentin lag mir am Herzen und der Reisende im Magen. Ich arbeite mich heraus und gieße zwölf Eimer Wasser über die Mitlei¬ denden, welche nach und nach sich erholen. Rücken an Rücken, Seite an Seite und Bauch an Bauch gestützt, schöp¬ fen wir alle tief Atem — das ist nämlich so der Brauch nach Ohnmächten. Nochmals lesen wir die Depesche. Ein vielhundertstimmiger Schrei entringt sich den zwölf An¬ gestellten, ein Sch. ei von solch überwältigender Kraft, daß in der Besselstraße ein Automobil scheu wird und ins Cafe Trocadero rast. Die Depesche lautete folgendermaßen: „Eikofilm, Berlin. Professor Brunner mit Zcnsurgewalt für die ganze Welt, die Sonne, den Mond und die übrigen Planeten betraut. „Ihr letzter Schlager", „Treff Schikse", ein Roman aus Berlin W. C., überall verboten. Vereinigte Schatten¬ spiele." — Das Entsetzen schüttelte uns alle so, daß der Mörtel von den Rabitzwänden fiel, ein paar Filmdichter, die eben auf Antwort über eingereichte Ideen warteten, ermor¬ dete ich kalten Blutes und wusch meine Hände darin und in Unschuld. 0, hätte ich doch ein paar englische Suffra¬ getten zur Hand. Da bemerkte ich, daß der Depeschenbote noch auf ein Trinkgeld wartete. Sofort begab ich mich in den Packraum, holte mir grünes Packpapier und Bindfaden, sowie ein großes Messer. Ich war zum Aeußersten gereizt. „Was wünschen Sie noch," fragte ich den Unglücksboten. ,.'N Trinkgeld," antwortete er. Ich lächelte zynisch, saty- risch, sarkastisch, sadistisch und masochistisch. Langsam erhob ich die Hand, (bei so etwas erhebt man die Hand immer langsam), ballte die Faust (das darf man unter keinen Umständen vergessen) und hau' dem Burschen eine — — au, au, verdammt. Ja, haben Sie eine Ahnung, wie hart so eine Marmorplatte von so einem Nachtkästchen ist. Eine ganze Ecke von der Platte hatte ich im Traume abgeschla¬ gen. Erlöst atmete ich auf, daß alles nur ein Traum war. (Ich rate jedem in der gleichen Lage auch erlöst aufzuatmen, es ist dies ein sehr gutes Mittel, ohne Kosten zu beschaffen.) Ich wollte mir die Bescherung ansehen, drücke auf den elek¬ trischen Schalter, zünde ein Streichholz an, und die Petro¬ leumlampe brennt. Meine Augen werden starr, langsam greife ich nach dem Totschläger über meinem Bett und spanne den Hahn. Ich reibe mir die Augen, (das wird nämlich auch in den Romanen empfohlen). Träume ich denn noch immerl? Ich reibe noch einmal die Augen (wie nach oben erwähntem Rezept). Träume ich oder wache ich? Ich fasse nach mei¬ ner Nase (eine leicht faßliche Methode). Ich wache. Lang¬ sam lege ich eine Patrone in meinen Schlagring, ziehe den Drücker an dem Totschläger, so dass der Knauf fest in meiner Hand liegt. „Lassen Sie das, mein lieber Delmont," tönt ein melodisches Organ (so etwa, wie eine schon 11 OOOmal gespielte Gramophonplatte) in mein Ohr. Sitzt da neben meinem Bett um 2 Uhr 27 Min. nachts ein Mann (männ¬ lichen Geschlechtes) mit einem Notizbuch in der einen und einem gespitzten Bleistift in der andern Hand. Ich traue kaum meinen Augen. (Man soll überhaupt seinen Augen nicht zu viel trauen). Da soll doch gleich ein Donnerwetter drein¬ schlagen; das ist ja der Reporter der „Lichtbild-Bühne". „Herr Delmont," beginnt er, „da sie tagsüber immer beschäf¬ tigt sind, so blieb mir nichts übrig, als nachts hier einzu¬ dringen, um Sie zu interviewen. — Wie denken Sie über die Bestrebungen, das Filmdrama auf ein höheres literari¬ sches Niveau zu bringen." Ich schweige. „W'ie stellen Sie sich zu dem sogen. Autorenfilm." Ich erwidere wie oben. „Was denken Sie, ist besser, (es war mir nicht klar, ob er Benno Besser meinte), daß die Gesellschaften die großen Stars weiter forcieren sollen oder ob man mit den alten Kräften dieselben Erfolge erzielen kann." Unter meiner Bettdecke erhob sich ein Knurren. „0, pardon," meine Fox- terierhündin schlug den Takt mit ihrem Schwänze auf meinem Hühnerauge. „Glauben Sie, verehrter Herr Del¬ mont, daß es nicht die Pflicht aller Filmregisseure wäre, nur ungestohlene Ideen zu verwerten?" Wieder ein Geräusch unter meiner Bettdecke. Der Herr Reporter notierte un¬ unterbrochen die Antworten, die ich nicht gegeben hatte. „Sie gestatten doch, Herr Delmont, daß ich mir erlaube, Ihnen auseinanderzusetzen, wie ich mir das Zukunftsfilm¬ drama vorstelle." Erstens:!! Er kam nicht weiter. Ueber- morgen sind Sie alle, verehrte Freunde, zur Beerdigung dieses Reporters feierlichst eingeladen. Ich habe die Welt von diesem journalistischen Ungeheuer befreit. Persönlich werde ich dieser erhebenden Feier nicht beiwohnen können, da soeben meine Frau mit der Gerichtskommission, den Psychiatern und zwei Wärtern bei mir eintreten. ®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®®