Lichtbild-Bühne (June 1913)

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Es kann alles nichts helfenI B naufhaltsam vollendet der Kinematograph seine Sieges¬ laufbahn. Unwiderstehlich zieht er alles in seinen Bann. Immer weitere Kreise wenden sich ihm zu, Widerstrebende werden bekehrt, und immer neue Freunde macht er sich zu eigen, mag noch so viel dagegen geredet und geschrieben werden. Selbst ein unlängst vom Dürerbund in die Welt gesandtes Flugblatt wird nichts gegen ihn ausrichten können, gegen diese wunderbare Erfindung, diesen neuen Triumph des Menschen¬ geistes, der es selbst ermöglicht, Tote aus Gräbern auferstehen zu lassen. Und noch sind lange nicht alle Mög¬ lichkeiten erschöpft, die im Zukunfts¬ schoße der Kinematographie schlum¬ mern. Alles Gegendenwindblasen ist umsonst; es kann alles nichts helfen! Ob wohl all die Volkserzieher, deren Blick für die sonnenbeschie¬ nene Gegenwart, um mit Bismarck zu reden, durch Jahrtausende alten Bücherstaub getrübt ist, jemals dar¬ über nachgedacht haben, was die Leute, die jetzt allabendlich gegen 9 Uhr die Kinos füllen, früher um diese Zeit, nach Feierabend, getan haben, als es noch keine Kinos gab? Auch ist festgestellt worden, daß der Alkoholkonsum, trotz Zunahme der Bevölkerung, von Jahr zu Jahr mehr zurückgegangen ist. Ob zwi¬ schen diesen beiden Tatsachen nicht ein innerer Zusammenhang besteht? Niemand wird es bestreiten wollen. Das Bedürfnis nach Unterhaltung und Entspannung nach des Tages Arbeit ist nun einmal unausrottbar, und kein zelotisches Eifern dagegen wird es jemals dauernd unterdrücken können . Von Gustav Taudien. Selbstverständlich können die meisten Dramen, die man jetzt häufig in den Kinos zu sehen bekommt, höhere ästhetische Ansprüche nicht befriedigen. Aber können denn das jene Stücke z. B. einer Birch-Pfeiffer, oder selbst die besseren Volksstücke eines L'Arronge, wo der Hauptheld in „Mein Leopold“ beispielsweise auftritt und dem Publikum vorsingt, wer er ist? Dennoch sind dramatische Liteia- turerzeugnisse dieses Genres immer noch gern gesehene Zug- und Kassen¬ stücke großer und kleiner Theater, und das mit vollem Recht. Niemand ist es eingefallen, sie gänzlich ver¬ bieten zu wollen oder wegen ihrer Aufführung, allzu großer Rührselig¬ keit halber, nach der Polizei zu rufen. Man soll jeden nach seiner Fa^on selig werden lassen. Jede gute Sache braucht Zeit, sich zu entwickeln. Auch das Thea¬ ter diente, wie das Kino, in seinen Uranfängen nur der Befriedigung der großen Massen. Erst sehr allmählich nahmen die besseren Kreise Teil dar¬ an. Vor allem die Priester, die Klügsten von jehtr zu allen Zeiten, die früh genug erkannten, daß sie das Theater leicht für ihre - Zwecke dienstbar machen könnten, wenn sie mit der Schaulust der Menge rech¬ neten. Genau wie jetzt in Amerika, wo die Geistlichkeit sich ebenfalls bemüht, durch kinematographische Darstellungen aus der biblischen Ge¬ schichte die der Kirche entfremdete Menge wieder an sich zu ziehen. Wer die Geschichte des Theaters genau verfolgt, dem werden sich viele Parallelen zwischen diesen Er¬ scheinungen, Theater und Kino, auf- (Nachdruck verboten.) drängen, die Aehnlichkeit in der Ent¬ wicklung ist zu frappant. Vom blut¬ triefenden Gladiatorenkampf, über Melodramen (das unvermeidliche Harmonium im kleinen Kino) vom Satyrspiel bis zum Harlekin, Hans¬ wurst oder Nauke in tausend Aengsten, es muß hier wie dort alles heran, „woraus der rechte Trank ge¬ braut, der alle Welt entzückt und auch erbaut“. — Ein Lessing, eine Neuberin haben lange auf sich warten lassen, aber auch im Kino werden sie dereinst erstehen. Noch leben wir inmitten der Evolution, aber das Kino hat ohne Frage eine Zukunft. Das Wort freilich, das Wort fehlt dem Kino! Aber warum sollen denn wortlose Darbietungen so ganz ver¬ pönt sein? Läßt man sich doch die Entäußerung der Sprache auch bei der Pantomime gern gefallen, warum nicht bei Wiedergabe von Begeben¬ heiten, die sich von selbst erklären? Der Industrielle, der gewiegte Kauf¬ mann, der sich am besten auf die In¬ stinkte der Massenseele versteht, weiß längst, daß eine bildliche Dar¬ stellung seiner Erzeugnisse und ihrer Wirkungen eine weit eindringlichere Sprache redet, als wortreiche Pro¬ spekte. Daher die heute zu unge¬ ahnter Höhe entwickelte Reklame im Bilde. Fakta, Fakta! Das ist es, wonach die heutige Zeit verlangt, und nichts ist geeigneter, solche besser zu über¬ mitteln, als das Kino, die dramati¬ schen mit eingerechnet. Der unge¬ heuerliche Zulauf zu den wortlosen Lichtspiel-Vorstellungen mutet daher an, wie ein Rückschlag nach unserer, ach, so langen wortreichen Zeit! Man