Lichtbild-Bühne (June 1913)

Record Details:

Something wrong or inaccurate about this page? Let us Know!

Thanks for helping us continually improve the quality of the Lantern search engine for all of our users! We have millions of scanned pages, so user reports are incredibly helpful for us to identify places where we can improve and update the metadata.

Please describe the issue below, and click "Submit" to send your comments to our team! If you'd prefer, you can also send us an email to mhdl@commarts.wisc.edu with your comments.




We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.

Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.

sehnte sich nach dem vielen unfrucht- V ^ren Gerede mal wieder richtig nach einem Ereignis, nach etwas, was sich wirklich dem Auge darbot, nach einem Faktum. So erschien das Kino, einem allgemeinen Bedürfnis entspre¬ chend, gerade zur Zeit auf dem Plan. Das Publikum in seiner Gesamt¬ heit steht nicht auf demselben Bil¬ dungswesen. Vielen Leuten genügt auch die Wiedergabe von Opern¬ musik oder gar Symphonien durch Militärkapellen vollkommen. Wem wäre es je beigekommen, sich schon mal gegen dieseOeldruckbilder in der Musik so in Harnisch zu werfen, als geschmackverderbender Kunstdarbie¬ tung, wie es dem Kino gegenüber fortwährend geschieht. Von vielen Kanzelrednern, die vermeinen, Got¬ tes Wort zu predigen, gar nicht zu reden! Ueberall heiligt der Zweck die Mittel, nur beim Kino nicht! Diese blinde Wut ist verdächtig! — Nur Unverstand und Neid können die treibenden Kräfte dafür sein. Die einen treibt ihre Abreißkalen¬ der-Bildung, fanatisch gegen die neue Richtung zu wüten, die andern der nur schlecht verhehlte Ingrimm, daß das Neue ihre Existenz immer mehr und mehr untergräbt. Die Theaterleute sind es vor allen, die sich da ihrer Zeit entgegen¬ stellen. Besonders die Schmieren¬ häuptlinge wittern den überlegenen Feind im Kino, und noch nie ist von dem ethischen Werte und von der kulturellen, erzieherischen Bedeutung des Theaters so viel die Rede gewe¬ sen, als jetzt, wo es ohnehin gezwun¬ gen ist, durch szenische Ausstattung zu bemänteln, daß es dem Publikum nichts Neues und wirklich Gutes mehr zu bieten imstande ist. Der Nieder¬ gang der dramatischen Literatur ist längst zur Evidenz erwiesen. Wenn nun aber noch die Mittel zur Bemän¬ telung besagten Dilemmas fehlen, wie sie an den Provinzbühnen schon immer schmerzlich vermißt wurden? Wo der Direktor gewissermaßen auch noch von der Gesundheit seiner Mitglieder lebt, da er das Theater nur abends für die Zuschauer, und nicht mal mehr auch zu den Proben für seine Schauspieler heizen lassen kann. Es ist wirklich nichts daran ge¬ legen, wenn diese ,,Bildungsinstitute‘‘ zugunsten anderer Anstalten, die we¬ niger Kosten verursachen und die trotzdem immer noch etwas Erträg¬ liches und Unterhaltendes zu bieten in der Lage sind, von der Bildfläche verschwinden. Das Kleinstadtpublikum kommt dabei auch besser weg. Denn statt der Heldendarsteller mit allen Merk¬ malen der Unterernährung, wie es an den Meerschweinchen-Gesellschaften bei Monatsgagen von 60 Mark bis 70 Mark nicht anders sein kann, be¬ kommt es beim Kino doch wirklich Persönlichkeiten zu sehen, die auch der Illusion entsprechen. Dasselbe gilt von der Ausstattung, die sich häu¬ fig auch selbst grosse Stadttheater nicht mal leisten können. Eine kapi¬ talkräftige Filmfabrik aber, die die Inszenierung eines Stückes für so und so viele Orte zugleich ein für alle¬ mal festlegt, kann sie spielend bewäl¬ tigen. Oder auch große Hoftheater? — Manchmal gewiß. Aber wer mal da¬ bei war, weiß es auch anders. Hof¬ theater sind meistens Stätten für allerhand Protektionskinder, die Sine¬ kuren erhalten müssen und diese Art von Bühnenvorständen versteht, außer Geld zum Fenster hinauswerfen, häu¬ fig so gut wie nichts von der Kunst, Die armen Schauspieler sind nur die Folie bildenden Statisten für ihre Vorgesetzten. Sie, die ob ihrer Pensionsberech¬ tigung so oft Beneideten, sind schlie߬ lich auch nur dem am Halse geschun¬ denen Hunde in der antiken Fabel vergleichbar. Sein Vetter, der Wolf, der ihn anfänglich um sein gutes Fut¬ ter beneidet hatte, und dieserhalb mit ihm zu ziehen gedachte, wandte sich entsetzt schleunigst wieder in seine Wndnis zurück, als er erfuhr, daß das Wohlleben nur durch lebensläng¬ liches Tragen eines Halsbandes er¬ kauft war. Die Schauspieler im allgemeinen freilich werden den Uebergang am herbsten fühlen, wenn auch von ihnen ein großer Teil wieder schon selbst durch das Kino eine Art Existenz ge¬ funden hat. Aber es läßt sich von ihnen Aehnliches sagen, wie von ihren Direktoren. Entsetzlich viele, gar zu viele Unberufene drängen sich heut¬ zutage zum Theater, und selbst bes¬ sere Kräfte sind meistens zu einem wahren Hungerleben verdammt. Wie faul es um die wirtschaftliche Existenz des Theatervölkchens be¬ stellt ist, davon zeugen wohl am deut¬ lichsten seine immer häufiger und greller in die Oeffentlichkeit gelan¬ genden Notschreie. Nur ein ganz klei¬ ner Teil der gesamten Schauspieler¬ welt konnte sich bisher zu einer Kor¬ poration zusammenschließen. Die Bühnengenossenschaft ist trotz ihrer beispiellosen Erfolge und trotz ihres rastlosen und idealen Strebens doch nur immer eine Institution für die ganz Großen am Theater gewesen und und wird es immer bleiben. Ihren noch so günstigen Bedingungen gegen J über kann der weitaus größte Teil der Berufsgenossen nur immer wieder ein „Non possumus“ erwidern! Was hilft da alles Sträuben! Was nicht lebensfähig ist, muß untergehen, so will es das Naturgesetz. Nur die Auswahl, das Kraftvolle ist existenz- und fortpflanzungsberechtigt. Es kann alles nichts helfen!-