Lichtbild-Bühne (June 1913)

Record Details:

Something wrong or inaccurate about this page? Let us Know!

Thanks for helping us continually improve the quality of the Lantern search engine for all of our users! We have millions of scanned pages, so user reports are incredibly helpful for us to identify places where we can improve and update the metadata.

Please describe the issue below, and click "Submit" to send your comments to our team! If you'd prefer, you can also send us an email to mhdl@commarts.wisc.edu with your comments.




We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.

Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.

so kann man künstlerische Films schaffen. Ich kenne Ihren Einwurf. Wenn Sie das so genau wissen, warum schreiben Sie denn keinen Film. Ich werde Ihnen als ehrlicher Mensch antworten. Weil ich es nicht kann. Nicht etwa in dem Sinne, als ob mir Probleme zur Gestaltung fehlten, mir hat eben die Natur die Gabe versagt, filmbildmäßig zu erleben. Was ich schon oben sagte, man muß zum Filmdichter geboren sein. Denn der Vorgang in der Psyche des Schaffen¬ den vollzieht sich doch nicht etwa so. Mir fällt etwas ein. Und nun gehe ich auf die grüne Wiese, suche mir ein Gänseblümchen, und dann zupfe ich/ die weißen Blütenblätter ab: Epos, Drama, Roman, lyrisches Gedicht, Film usf. Wenn es über¬ haupt möglich ist, das Dichten in sich zu definieren, so geschieht es doch ähnlich wie: Ein Erlebnis setzt sich fest, und das Gehirn arbeitet. Je nach Veranlagung des Menschen ent¬ steht dann ein Gedicht, oder ein Epos, ein Roman oder ein Drama, oder viel¬ leicht ein Film. Biegt aber der Dich¬ ter seine Natur um, und schreibt statt einer groß angelegten Novelle, zu der ihn seine Begabung zwingt, einen Ro¬ man, so wird er in allen Fällen ein künstlerisches Fiasko erleben# Im Literaturbetrieb sagt man, der Ver¬ fasser beherrscht die Form nicht. Von allen Dichtern, die ich aus ihren Wer¬ ken oder im persönlichen Verkehr kennen gelernt habe, scheint mir ein einziger für den Film geboren zu sein: Hermann Bang. Man muß seine No¬ vellen aus dem Circus milieu, seine Schilderungen des Artistenlebens nur einmal lesen, um dies zu fühlen. Da reiht sich Bild an Bild, buntschillernd und in unabsehbarer Folge. Neben den vier Teufeln, die ja längst ver¬ filmt und einen unerhörten Erfolg hatten, stehen seine kleinen Skizzen wie ,,Der Kunstreiter“, ,,Nach der Zir¬ kusvorstellung“, „Sophie Menter im Kaukasus“. Aber nicht das Flit¬ termilieu ist das Bunte in Bangs Kunst, so klar und bildhaft erlebt Bang alle seine Geschöpfe. Und außer Bang gibt es noch einen Leben¬ den, dessen beweglicher Geist wahr¬ scheinlich auch dem Film gerecht wird. Seinen Namen zu nennen, ohne seine Stellung zum Film zu kennen, scheint mir indiskret und zwecklos. Er lebt in Wien. Alles was ich von deutschen Schriftstellern im Film sah, ist be¬ schämend für das Verständnis, das die deutschen Dichter dieser neue¬ sten Kunstform entgegenbringen. Es geht nun einmal nicht an, Romane zu dramatisieren, die Tempel Italiens, in denen diese Kunst blüht, stehen auf tiefstem Niveau, und der Deutsche nennt sie, wenn ich recht gehört habe, Schmalzstullentheater. Die besten Gäste sollten sich zu schade sein, um längst fertige Werke verfilmen zu las¬ sen, sie müßten entweder filmmäßige Films schreiben, oder, falls sie keine Begabung dazu besitzen, nicht ihren eigenen Beruf sündhaft leichtsinnig aufs Spiel setzen. Unlängst las ich, daß Sienkewicz gegen eine Gesell¬ schaft Vorgehen wird, weil diese seine Erlaubnis zum In-film-setzen des „Quo vadis?“ nicht eingeholt hat. Ich weiß natürlich nicht, ob die Mel¬ dung richtig ist; für Sienkewicz ge¬ schämt habe ich mich aber, als ich die Begründung las: Er wollte an dem kolossalen Kassenerfolge teil haben. Hätte der Dichter dagegen protestiert, daß man seinen Roman selbst verfilmt, ich hätte ihn verstan¬ den — aber um des Geldes willen! Man kann nicht in der Kunst alten Wein in neue Schläuche füllen, fri¬ schen Wein sollt Ihr keltern, Ritter, vom Weinberge der Gottkunst. Das Wort im Drama ist die Geste im Film. Wie alle Vergleiche, ist auch dieser nur halb wahr. Erst das Gemeinsame. Hier das Wort, da die Geste sind die endlichen Mittel, durch die Zwischenpersonen das Wollen des Dichters dem Publikum übermitteln. Kann im Sprechdrama der Dichter das Wort, das der Schauspieler, der Mittler seiner Empfindungen, sagen soll, noch genau festlegen, so ist im Film der Dichter der Gestensprache gegenüber machtlos. In gewissem Sinne allerdings ja auch in der Komö¬ die (im Bühnenjargon heißt ja jedes Stück Komödie). Ich will nicht von Burmeester reden, der vielleicht der bedeutendste Schauspieler unserer Generation ist, ich erinnere nur an Kainz. Wenn dieser große Sprach- künstler oft die längsten Sätze spie¬ lend bewältigte und dann das Wort, das einzige das Sinn gibt und die Zu¬ sammenhänge aufdeckt, hinaustönen ließ, dann konnten auch mäßige und schlechte Stücke Erfolg haben; stel¬ len Sie sich dagegen einen Provinz¬ schauspieler letzter Sorte vor, der den „Faust“ wortgetreu, aber sinnlos herunterleiert. Trotzem bleibt auch hier noch im Wortgeklapper Sinn. Kann aber der Filmspieler einen Gedanken nicht sinnfällig vergesten, das Wort sei mir erlaubt, weil es an¬ schaulich ist, so ist das Werk des Filmdichters rettungslos verloren. Er, der die Sprache des Körpers nicht be¬ herrscht, mag jede einzelne Geste bis in die letzte Einzelheit beschreiben, es nützt nichts, wenn der Schauspieler diese Regiesätze nicht zu übersetzen versteht. Der Vorteil im Film liegt dann wieder darin, daß kein Stück in die zweit- oder drittrangige Be¬ setzung wandern kann; sind die Schauspieler gut, die in der Premiere mitgewirkt haben, so ist das Stück