Lichtbild-Bühne (June 1913)

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Seite 157 3 Unterhaltung empfehlenswert sind, soll unbestritten sein und bleiben Wenn auch die Bilder heute £iner strengen Zensur seitens des Polizei¬ präsidiums unterstehen, so mag es doch noch Mittel und Wege geben, derartige Schunddramen zu fabrizie¬ ren und sie jenen dunklen Stätten zuzuführen. (Fraglich. D. Red.) Hier liegt ein Feld für die so eifrigen Kino-Sitten-Apostel. Sie würden sich entschieden verdient machen, wenn sie solche Kino- Kaschemmen aufsuchen und an ge¬ eigneter Stelle ankreiden wollten. Spitzeldienste, aber der Zweck hei¬ ligt die Mittel! Derartige Bilder soll¬ ten sofort inhibiert, bei Zuwiderhand¬ lungen der betreffende Theaterbe¬ sitzer mit hohen Geldstrafen belegt werden. Auf solche und ähnliche Weise ließen sich die Auswüchse des Kinowesens bekämpfen. Ungerecht aber ist der Kampf gegen das Kino im allgemeinen. Einem reellen Vor¬ gehen gegen die Schädlinge des Kino¬ wesens würden sich die Fachkreise in erster Linie anschließen, denn sie leiden unter Verallgemeinerung und ungerechter Maßregelung am meisten. Nicht zuletzt ist doch auch die wirtschaftliche Seite der Film- und Kino-Industrie zu berücksichtigen. Es sind ca. 180 000 Menschen in der Filmindustrie beschäftigt, sie hat un¬ geheure Summen ins Rollen gebracht, da ist doch wohl kaum anzunehmen, daß man an einer solchen Erschei¬ nung mit ein paar Warnungen vor¬ beikommt, Warnungen, die einem winzigen Teil dieser Industrie, ihren anerkannten Schattenseiten gelten. Was sind da Warnungen? Durch¬ schlagend wirken nur Taten. »-♦ ♦ -»-»H Kasperle ist tot! Der Marionetten-Konkurs in der Pariser Champs Elysees. n der angesehenen französi- Uff sehen Zeitung ,,La Liberte’ finden wir eine nette Plaude¬ rei des bekannten Journalisten D'An- tin, die uns wert erscheint, auch hier wiedergegeben zu werden. Es ist ein kleiner Dialog: „Sag mal, Fritz, wo soll dich der Onkel denn heute hinführen? Ins Kasperletheater vielleicht?“ „Ins Kasperletheater? — Guck mich doch mal recht an. Ich hab' nun gerade genug von dem Polizisten, der mit einem Stock oder der Brat¬ pfanne Kasperle totschlägt.“ „Nanu du glaubst wohl an nichts mehr?“ „Nee, ich bin modern.“ „Also, wo willst du denn sonst hingehen?“ „In’n Kientopp.“ Ja, das Kino ist drauf und dran, dem armen Kasperle den Garaus zu machen . , . Die Kinder lachen nicht mehr wie früher bei den tollen Sprüngen und den Kalauern Kas¬ perles, sie ziehen den althergebrach¬ ten Abenteuern Hanswursts die un¬ beschreiblichen Feerien vor, die sich an der leuchtenden Wand abspielen. Wir werden in kurzer Zeit die Freilichttheater in den Champs-Ely¬ sees sich in Kinematographen ver¬ wandeln sehen. Eine logische Ver¬ wandlung. Denn was ist das Kino anders als ein vervollkommneter Kasperle? Max Linder und Prince sind lebende Marionetten, und wir sehen in den unausbleiblichen Ver¬ folgungen, die auf dem Film aufge¬ nommen sind, nur die guten, schnauz¬ bärtigen Spieler der Avenue Mariny. Hans und Grete beteten einst ihren Kasperle an. Sie werden jetzt immer nur noch das Kino anbeten. Man zählt übrigens zu den Ge¬ treuen der weißen Wand unsere be¬ deutendsten Zeitgenossen. Anatole France, Edmond Rostand, Brieux und viele andere schleichen sich, von der Dunkelheit begünstigt, in die Säle, wo sie sich an den epileptischen Phantasien Rigadins belustigen. Das erste Wort, das der Präsi¬ dent Fallieres sagte, als er wieder simpler Bürger wurde, lautete: „Na, endlich kann ich wieder ins Kino gehen.“ Kasperle hat seine Kundschaft verloren: die Kinder und Bummler — was soll aus ihm werden? Gar so gefährlich, wie Monsieur Antin die Sache darstellt, liegt sie nun gerade nicht. Uebrigens, warum gebärdet sich ein Mitarbeiter der Liberte so konservativ? Wenn ich meinen Neffen zu Weihnachten frage, was ich ihm schenken soll, so würde ich höchst erstaunt sein, wenn er sich ein Schaukelpferd oder einen veral¬ teten Baukasten wünscht und nicht mit sehnsüchtigen Augen von einem Automobil und einem Zimmerkino sprechen würde. Man kann vielleicht der Ansicht sein, daß wir uns um die Stellung¬ nahme des französischen Publikums zum Film nicht kümmern brauchten, wir hätten gerade genug zu tun, um zu versuchen, die sogenannte öffent-