Lichtbild-Bühne (October 1913)

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Erstes internationales Fachblatt für die Interessen des Kino-Varietes. VERLAG DER „LICHTBILD-BÜHNE“, BERLIN SO. 16, MICHAELKIRCHSTRASSE 17. — TELEFON: MORITZPLATZ, 11453. Redaktion: ARTHUR MELLINI. No. 41. | Berlin, den 11. Oktober 1913. | Il. Jahrgang. Der Drucksachen-Verkauf der Artisten. N em Nichtkenner der VarieteVerhältnisse wird es gewiß = nicht einfallen, zu behaupten, daß die kleine, nichtige Ursache des Drucksachen-Verkaufs der Artisten im Zuschauerraum des Variötes die Hauptursache ist, weshalb das deutsche Spezialitäten-Theater so rapide herabging, und doch ist dem so. Speziell das sogenannte mittlere und kleine Verhältnis, wozu auch die Tingeltangel gehören, kann die traurige Priorität für sich in Anspruch nehmen, diesen Krebsschaden des Varietes gefördert zu haben. Das Bestreben des Artisten, bei einem schlechten Kontraktabschluß seine gedrückte Minimal-Gage durch den allabendlich nach Absolvierung seiner Nummer eigenhändig ausgeführten Verkauf von Ansichtskarten etc. dadurch zu erhöhen und das Bestreben des Variet&-Inhabers, durch den Kontrakt-Zusatz „Drucksachen-Verkauf gestattet dem Artisten bei Engagementszusatz die gedrückte Minimalgage schmackhafter zu machen, haben dazu geführt, daß in manchen Varietes fast alle Programm-Nummern den Drucksachen-Verkauf ausüben, so daß das Publikum im Theater während der Vorstellung bis zu:zehn mal und öfter von den zwischen den Stuhl reihen herumhausierenden Artisten belästigt wird. Nicht etwa darum nur, weil ein hausierender Artist seine Standeswürde vergißt und dem Publikum die notwendige Illusion der. anderen Welt, die das Brettl sein soll und bleiben muß, geraubt wird, leidet jede Varieetönummer, die oben auf der Bühne arbeitet, dadurch, daß unten der Inhaber der vorigen Nummer, noch schwitzend von seiner Bühnenarbeit, oft sogar im Bühnenkostüm, von Tisch zu Tisch geht und das Interesse ablenkt. Die Praxis hat gezeitigt, daß das Stamm-Publikum speziell in Rücksicht auf den sogenannten Postkarten-Nepp beim Eintritt vorn an der Kasse einen billigeren Platz löst, um im Theater während der Vorstellung ein paar Ansichtskarten, wenn auch widerwillig, zu erstehen oder sogar dem Theater in Zukunft ganz fernbleibt. Man sieht also, daß der scheinbar geschäftskluge Theaterdirektor sich selbst ins eigene Fleisch schneidet. Unglaublich sind die Auswüchse, die der Drucksachen-Verkauf der Artisten im Laufe der Jahre gezeitigl hat. Es gibt „Artisten“, die mit sich handeln lassen und Postkarten „2 zu 15° verkaufen, oder Humoristen, die von ihrem gesamten Repertoir Einzel texte gedruckt haben und im Zuschauerraum den Eindruck von fliegenden Buchhändlern hervorrufen, Soubretten, die unten stärker dekolliert herumlaufen, wie oben auf der Bühne, oder Artisten, die irgendwelche Schnadahüpferl etc. verkaufen, die ven überall her tausendweis billig bezogen werden und vom Verkäufer nie vorgetragen werden. Der Zuschauerraum ist auch schon heimlich von Auch-Arfisten gemißbraucht worden, um pikante Drucksachen zu verkaufen; es gibt hausierende Künstler, die entgegen der Tradition gern die erste Nummer arbeiten, da dann der Verkauf am besten ist, die dem Publikum Grobheiten sagen, wenn nichts gekauft wird, die sogar ohne Gage arbeiten, wenn sie tüchtig verkaufen dürfen oder auch oben auf der Bühne arm Schluß der Nummer durch Ansprache auf den jetzt nachfolgenden Verkauf ihrer Drucksachen Reklame machen. Tausendfältig.sind die Mißstände, die dieses fressende Uebel gezeitigt hat, und darum bewahre uns der Himmel, daß unser junges Kino-Variete ebenfalls von dieser schleichenden Krankheit befallen wird.