Lichtbild-Bühne (July 1914)

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Seite 16 7. Jahrgang 1914 Nummer 40 nicht. Allerhöchstens bekommt er den Film, den er zu sprechen hat, vorher einmal zu sehen, sehr, sehr häufig aber muß er aus dem Stegreif, nur von der knappen Beschreibung oder den Zensurkarten unterstützt, arbeiten, während der Film mit seinen plötzlichen Schriften und Szenenwechseln abroll. Dazu kommen noch die verschiedenen Störungen, die, besonders in den kleinen The atern, nicht genug vermieden werden. Das erfordert eine vielseitig vorgebildete, kluge und gewandte Persönlichkeit, und das sind eine ganze Anzahl von den Rezitatoren leider nicht. schiedenen Schreiber dieses hat von verTheaterbeisitzern die Klage gehört, daß wohl das Angebot groß ist, aber die Mehrzahl spricht ein Deutsch, das keins ist. Sicherlich liegt hier der Hauptgrund, daß die Zahl der Theater, die auf die Dienste des Rezitators verzichten, — auch in Gegenden mit vorwiegender Arbeiterbevölkerung — ständig zunimmt, obwohl eine tüchtige Kraft das eine oder andere der Theater, das sanft entschlafen will, zu ne“em Die Ursache der Ueberschwemmung dieses Berufes mit völlig ungeeigneten Kräften liegt wohl in der Unterschätzung der Schwierigkeiten und mangelnder Selbsterkenntnis, aber in erster Linie in der Zurückhaltung der Kreise, die diesen Beruf besser ausfüllen könnten. Man rechnet sich zu den Gebildeten und betrachtet bei dem allgemeinen Vorurteil gegen Kino und Kinoleute die Beschäftigung nicht als ‚dair“, obwohl so mancher Student, nfancher begabte Künstler oder Kaufmann, der just nicht auf Rosen ge Leben erwecken könnte, beitet ist, den Verdienst für die paar Abendstunden ganz gern mitgenommen hätte, Man redet zwar viel von der Opferwilligkeit, wenn es „dem Volke“ gilt, aber man vermeidet eine Beschäftigung, die, wie es zwar beim Rezitator nun einmal der Fall ist, dem Volke gilt, die aber von großer sozialer Bedeutung ist, denn ein Rezitator, der seinem Publikum imponiert, kann zum guten oder schlechten einen tiefen, nachhaltigen Einfluß ausüben, namentlich bei den jüngeren, (Was für einen Nutzen für so manchen So empfänglicheren Besuchern. zialpolitiker oder Volkserzieher, könnte er auf einem solchen Posten — quasi incognito — in beständiger Fühlung mit den verschiedensten Bevölkerungskreisen, einmal hinter die Kulissen sehen!) Es soll damit durchaus nicht gesagt werden, daß nicht auch ein einMann Vorzügliches kann, dann aber hätte der Theaterbesitzer die Pflicht, und namentlich, wenn es sich um einen Anfänger oder facher leisten wenig gebildeten Novizen handelt, dafür zu sorgen, daß sein Rezitator den berechtigten Ansprüchen, die das Publikum an ihn stellen darf, auch wirklich entspricht, indem er darauf hinwirkt, daß er sich die Grundbedingungen eines wirkungsvollen Vorrichtiges, möglichst dialektfreies Deutsch, das höchstens hin und wieder, bei guter trages zu eigen macht: Gelegenheit, von urwüchsigen Ausrufen unterbrochen sein darf; fließender, sinngemäßer Vortrag, der den Film in seiner ganzen Wirkung hebt, der rührt, ja nicht rührselig, komisch, aber nur, namentlich bei den Dramen, die ja sehr oft recht lustige Zwi schenfälle bringen, ‚wo es auch ‚wirk lich angebracht ist und nicht gemein, packend und spannend sein muß, Der Rezitator muß sich völlig in die Handlung, in den Charakter der handelnden Personen hineindenken können, dann wird es ihm stets gelingen, dem Publikum begreiflich zu machen — auch in den weniger wahrscheinlichen Fällen — weshalb der Held gerade so und nicht anders gehandelt hat. Sein Hauptaugenmerk ist darauf zu richten, daß er nicht nur oratorische Leistungen zu bieten hat, sondern vor allen Dingen dem Bilde dienen muß, indem er die Schönheiten des Sujets heraushebt, die Feinheiten seinem Publikum klarmachen, mit einem Wort, das Bild zu „erklären“ hat, Er muß sich von den sichtbaren Geschehnissen auf der Leinwand unterstützen lassen, dadurch, daß er dazufügt, was der Zuschauer sich ohne ihn denken (raten) muß, Dann erst kann er sein eigenes Licht in tragischen oder witzigen Dialogen und Bemerkungen leuchten lassen. Wer nicht im Deklamieren, in der Betonung, den richtigen Mittelweg findet, schränken, einfach zu erzählen, als soll sich besser darauf be stünde er nicht vorm Publikum, sondern schilderte einem Freunde, was sich dort auf der Leinwand zuträgt. Das wirkt das Salbadern („er spricht wie ein Pastor‘) oder das allzu heftige Dekla mieren, wenn es schließlich nur im viel besser, als Heben und Senken der Stimme besteht, Das rührt vielleicht die Thränendrüsen einiger alter Frauen, erregt aber bestimmt die Heiterkeit der allzeit spottlustigen Jugend, und die Uebrigen „wenden sich mit Dagegen wird sich kräftigere, sinngemäße und wirkungsvolle _ Grauen”, Betonung von selbst einstellen, wenn er im Anfang nur erzählt. Ruhiges, nicht zu schnelles Sprechen mit tiefen Atemzügen strengt am wenigsten a und kann in den spannenden Szenen wirkungsvöll beschleunigt werden, wobei, ohne daß Pausen entstehen, des Kommenden gedacht kann, werden Der beste Erklärer ist immer der, dem sein Publikum nachrühmt: