Lichtbild-Bühne (November 1917)

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EEE «A Nummer 45 gestiftet hat. Auch auf diesem Gebiete gibt es Schund wie in der Literatur, auf der Bühne und anderswo, Schund, nicht zuletzt im Interesse der heran und jede Tendenz, diesen wachsenden Jugend davon fernzuhalten, muß Unterstützung finden. Aber man dart füglich feststellen, daß, von wenigen Entgleisungen abgesehen, im allgemeinen die Programme der hiesigen Kinotheater korrekt und durchaus nicht anstößig sind und es darf ferner darauf hingewiesen werden, daß durch eine kantonale Kinokontrollkommission eine wirksame Kontrolle ausgeführt wird. Ganz unbestritten ist aber, daß die moderne Kinographie ein wertvolles Darstellungsund Erziehungsmittel geworden ist, ein Instrument, der Wissenschaft in den wenigen Existenz ragendes geleistet hat, und das ım Dienste der Völkerund Länderkunde heute unentund es wird sicher eine Zeit das im Dienste Jahren seiner Hervor behrlich ist, kcmmen, wo das Drama und das Lustspiel [sie gänzlich auszumerzen wäre töricht) weit weniger programmfüllend sein werden als technische, industrielle, landschaftliche, geo$raphische und ethnographische Darstellunsen, denen nach unserer Ueberzeugung das Kino der Zukunft gehört. Die schweizerische Kinoindustrie ist jungen Datums; sie hat gerade jetzt, in der Zeit der Grenzschwierigkeiten, gute Aussicht, Hauptlieferant auf dem schweizerischen Markt ‘zu werden, und es wäre schade, wenn durch allzu scharfe Maßregeln auch sie getroffen würde." Aus der Zeit der ersten gemeinsamen Benutzung der Film-AufnahmeAnlagen stammt eine Plauderei „Zirkus im Film“, der wir folgenden Abschnitt entnehmen: „Es ist ein merkwürdiger Zirkus, auch Sein Rund schwingt sich mit Parkett, Logen, erstem und zweitem Rang und Galerie zu keiner Kuppel, denn über den Köpfen der höchsten Zuschauer geht die rostbraun gestrichene Wand noch ein Stückchen nach oben — dann hört sie unerwartet auf und gibt den Blick in die helle, blaue Luft frei, Und ebenso unvollkommen ist der Bau nach der Vorderseite, wo die Zuschayerplätze plötzlich verschwinden, Das hat seinen Grund: dies ist kein Zirkus für Zirkusbesucher, sondern einer für Kinobesucher. Und im Kino sieht man nur von vorn, Aber die Zuschauer da im Zirkus, die aus allen Ständen die Ränge füllen und geduldig bei den Klängen der kleinen Kapelle auf den Anfang warten? Auch das sind eben keine gewöhnlichen Zuschauer — es ist vielmehr ein Publikum fürs Publikum, Es spielt mit... . „Große Zirkus-Kinoaufnahme, Reichhaltiges Zirkusprogramm mit Orchester, Zuschauer haben freien Eintritt”, hieß es in der Zeitungsanzeige, und nun sind sie ge sonst, kommen, um zu sehen — und sich sehen zu Allmählich erscheinen auch die Zirkuskünstler, aber noch in „Zivil”, eine Dame lassen. mit munteren Terriern, ein kummervoll aussehender Herr, der sich später als Spaßmacher entpuppt, sein Kollege in Zwergformat und andere. Sie verschwinden ın deı Garderobe der von riesigen Glasdächern bedeckten Aufnahmehalle, Die Leute der Filmfirma sind schon in voller Arbeit. Zwei Kurbelkästen werden auf hohen, dünnen Füßen aufgebaut, Klappen werden daran geöffnet, Visiere geprüft, der Filmstreifen gerichtet. Der Regisseur des Films berät mit dem Regisseur des Zirkus. Dann kommt die Generalprobe: das Publikum hat eine große Szene. Es muß Prove klatschen und später erschrocken und verstört von den Sitzen aufspringen, wenn es das Unglück im Filmdrama erfährt. Zirkusfilm bringt eine unterbrochene Vor Jeder stellung. „Erste Nummer: Voltijel” schreit der Zirkusgewaltige. Die Stallmeister in Uni fcrm stehen schon Parade. In Sportbluse und Lederbeinkleidern sprengt eine Reiterin in die Manege, die hier aus richtigem, noch von kleinen Grasbüscheln bewachsenen Sand besteht. „Mehr nach der Mitte mußte!” Sie trabt auf ungesatteltem Pferderücken um die Manege, gleitet herunter, schwingt sich wieder empor, läßt den Oberkörper seitwärts tief herabsinken, während ihre Schenkel den Leib des Tieres umklammern ,. „So, Schluß, Voltije kann sich auszieh'n!,, „Kapelle, Angtreh!” ruft der Zirkusleiter. Die Kapelle spielt einen Marsch, und durch den Türvorhang treten bemalt und geschminkt die beiden Spaßmacher in die Manege, der Knirps mit dem großen Kopf und den kurzen Beinen, der so geschickt zu fallen versteht, und der lange, der jedoch keine Spur von Kümmernis mehr aufweist. „Aber die läßte ausarbeiten!" bittet der Zirkusmann den Filmmann, Sie spielen Apfelschuß: der Große will den Apfel vom Kopf des kleinen schießen. Natürlich ist die Frucht — Handelsware I — längst vor dem Schuß aufgegessen, ,„Aufhören!” Sie spielen ruhig zu Ende. „Herrjeh, Schluß!" Sie sind noch nicht fertig. „Aufhören sollt ihr, raus!” Endlich sind sie soweit: eine gezierte Verbeugung, und sie trollen sich,“ In der „Schaubühne“ erzählt der Wiener Alfred Polgar in einem Aufsatz „Belehrende Films“, wie er sich vor die Wahl der beiden in gleicher Richtung wirkenden Aufklärungsfilms „Die Geißel der Menschheit" und „Es werde Licht” gesfellt sah und sich dann zu seinem Nachteil für den ersten entschied. Von der Handlung sagt er zum Schluß: | „Im dritten Akt der ,„Geißel der Menschheit" bekommi das Kindchen einen Ausschlag, Professor Grunert stellt die untrügliche Diagnose. „Voll Abscheu flüchtet Klara mit ihrem totkranken Kind ins Vaterhaus, wo der arme kleine Engel bald seine Seele aushaucht.” Worauf Klara, indes der Kino-Klavierspieler sich in entschiedenes Moll begibt, Gift schluckt. Wir sehen im nächsten Bilde des belehrenden Films Heinz Rosen mit schwarz umflortem Zilinder und Gehrock an zwei Gräbern stehen, Dann ist Pause, das Kino-Lokal wird gelüftet, und meine Nachbarin tut mit dem Lippenstift etwas Karmin auf ihr blasses Mündchen. Es wird wieder dunkel, und wir befinden uns bei einem Leharschen Walzer und später. Jener Sellenthin erscheint wieder, kerngesund. Er hat einen Dom gebaut, und sein Freund Heinz soll den Dom mit Gemälden schmücken. Aber wir im Kino merken schon, wie's um den Armen steht, Wir sehen ihn Atelier, matt auf dem Divan kauernd, im Antlitz den Wunsch: „Mutter, gib mir die Sonne‘, zwölf Jahre in seinem Gestatten Sie, daß ich eine neue Person des Dramas ‚„Geißel der Menschheit” vorSie heißt Hertha, Das Programmbuch sagt: „Heinz nähert sich der anmutigen Hertha, die aber dem kraftund gesundheitstrotzenden Sellenthin die ersten Gefühle ihres Herzens geweiht hat,“ Einmal kommt der Strotzende gerade zur rechten Zeit, um eine Attacke des Geisteskranken auf das Mädchen mit den guten Instinkten abzuwehren, stelle. Nun aber nimmt, nach nochmaliger Lüftung des Kino-Lokals, das Verhängnis, im gleichen Tempo vom Klavierspieler begleitet, seinen raschen Lauf. Die Darstellung des Programmbuchs wird hier plastisch, daß sie kaum zu übertreffen wäre: ‚In wütender Eifersucht belauert der Kranke unaufhörlich das geliebte Mädchen, Er findet das liebende Paar in der Kuppel der Kirche. In rasender Wut überfällt er den Freund, ringt mit der übermenschlichen K.aft eines Tobsüchtigen mit ihm, um ihn über die Brüstung des Turmes hinabzuschleudern, Als er aber den goldenen Lorbeerkranz erblickt, den die Arbeiterdeputation dem genialen Schöpfer der Kirche gewidmet hat, bemächtigt sich seiner ein ekstatisches Entzücken, in vollem Ausbruch seines Größenwahns setzt er sich den Kranz, das Symbol des Ruhmes, auf, und in irrsinniger Geistesabwesenheit stürzt er, zum Entsetzen Herberts und Herthas, die seinen Sturz nicht mehr verhindern können, in die Tiefe," Erschüttert durch das Schicksal des in irrsinniger Geistesabwesenheit abgestürzten Heinz Rosen verlassen die Zuschauer das Haus. Ist das nicht ein belehrender Film? Jawohl, das ist er. Ich sage Ihnen, gehen Sie ins Kino, wenn Sie wissen wollen, was Paralyse ist!”