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Seite 50
L.B.B. + 11. Jahrgang 1918
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geschichten, auf, weinerliches und lächerIıches Zeug eingestellt; und der ganze Jammer der Menscheit faßte einen an, wenn man derartige Anzeigen und derartige Spielpläne, wie sie vor dem Kriege galten, sah und sich sagen mußte, daß das dıe geistige Erholung gewaltiger Massen des Volkes darstellte. Das Publıkum wird nach dem Kriege wenn die Schranken gefallen sind, allein dıe entscheidende Instanz über die Spielpläne des Kinos sein, und von dem Willen des Publikums wird der Unternehmer der Schaustellungen abhängig sein. Die Konkurrenz wird auch die anerkannt guten Unternehmungen zwingen, den Wünschen der großen Masse des Publıkums nachzugeben, und so wird der Sensation Tür und Tor geötfnet sein. Die Winkelkinos in den kleinen Städten und Vororten werden wieder hochkommen, und wir werden die beklagenswerten Erscheinungen wieder haben, die eine ernste Gefährdung der Volksgesundheit bedeuten, Gefahren, die auch durch technisch schlecht geleitete Kinotheater hervorgerufen werden, Wir werden wiederum in unseren ästhetischen Empfindungen beleidigt werden, wenn wir durch die Straßen gehen und die scheußliche Kinoreklame sehen. Wir werden wieder zu gewärtigen haben, daß uns auf Schritt und Tritt eın Ausrufer belästigt und auffordert, ins Kino zu gehen.
Dem muß unter allen Umständen vorgebeugt werden. Unsere Jugend, nicht allein in den Arbeiterkreisen, sondern in allen unseren Gesellschaftsschichten, die Jugend der Volksschulen, der Fortbildungsschulen, der höheren Schulen, ist in der größten Gefahr durch die Auswüchse des Kinowesens, wenn wir nicht in irgend einer Weise einschreiten, Wir müssen die Gefahrenquellen verstopfen, Ja, wenn es sich bei dem Kinowesen um Verhältnisse handelte, wie wir sie auch bei dem Theater haben, wenn das Kino dem Theater gleich zu setzen wäre, dann brauchten wir uns keine große Sorge zu machen, dann könnten wir vielleicht sagen: die Sachen sind ja nur für wenige bestimmt, und infolgedessen können wir ruhig darüber hınweggehen. Aber das Kino unterscheidet sich von dem Theater ganz gewaltig, unterscheidet sich sogar auch ganz gewaltig von der Literatur dadurch, daß es durch die massenhafte Vorführung und die Art seiner Vorführung in so außerordentlich weitem Umfang wirksam sein kann und auf so außerordentlich viele Gemüter einzuwirken imstande ist.
Wir haben vor dem Kriege ein ganz ungeheuerliches Aufsteigen der Kinounter
nehmungen zu verzeichnen gehabt. Vor dem.
Krieg schätzte man das in der Weltfilmindustrie, in der Produktion, im Verleih und in den Lichtspieltheatern investierte Kapital auf etwa zwei Milliarden Mark Es ist in desem Kriege ganz bedeutend gestiegen, Wir besaßen in Deutschland vor dem Kriege etwa 3000 Lichtspieltheater, Es gibt Städte in Deutschland, wo die Zahl der Lichtspieltheater sich auf 100 beläuft, und wir wissen nach einer Statistik, daß in Deutschland die Kinos am Anfang des Krieges eine Besucherzahl von 275 Millionen im Jahre aufzuweisen hatten, Diese Zahl zeigt uns, wie oft in Deutschland ein jeglicher im Durchschnitt in die Kinos gehen. muß, damit eine derartige Riesenzahl herauskommt,
Ein Mittel, um gegen diese Mißstände einzuschreiten, ist uns durch die Vorlage gegeben, die die Regierung uns gebracht hat, die — um es nebenbei zu sagen — wir einer Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen beantragen. Wir haben schon häufig dieses Gesetz verlangt. Das, was uns jetzt gegeben ist, ist aber in gewisser Beziehung
verschieden von dem, was wir verlangten. Das Kinoggsetz ist vollständig von der Gewerbeordnung losgelöst worden; und das ist richtig, weil bei dieser Frage nicht nur wirtschaftliche, sondern auch ethische Gründe in Frage kommen, Das Kinogewerbe kann und wird sich auch nicht, soweit es ernst genommen wird, darüber beklagen, wenn es geradeso behandelt wird wie alle anderen Gewerbe im deutschen Vaterlande,
Zweierlei wird durch diese Vorlage beabsichtigt, einmal, daß die Erlaubnis zum Betrieb eines Lichtspieltheaters von der Person des Unternehmers und von dem Lokal abhängig gemacht werden soll, in dem die Lichtspielvorführung stattfinden soll. An zweiter Stelle wird verlangt, daß eine Einschränkung der Zahl der Lichtspieltheater nach dem Bedürfnis einzutreten habe,
Wenn ich im einzelnen der Vorlage einige Worte widmen darf, so möchte ich vor allem hervorheben, daß wir nicht mit dem Satz einverstanden sein können, in dem es heißt, daß dem betreffenden Unternehmer die Erlaubnis zu versagen ist, wenn er die erforderliche Zuverlässigkeit in bezug auf den Gewerbebetrieb nicht nachzuweisen vermag. Meine Herren, nach altem, guten Recht ist es doch immer Sitte gewesen, jemanden als ehrlich anzusehen, solange ihm nicht das Gegenteil bewiesen ist. Also dürfte der Beweis, daß einer zur Ausübung dieses Gewerbes nicht tauglich ist, auch der Verwaltungsbehörde, der Polizeibehörde, zugewiesen sein. Vielleicht wäre es ein Vorteil der Vorlage, wenn das Moment, das im Jahre 1912 in dem Vorentwurf, der zu der
Novelle zur Gewerbeordnung der Presse übergeben worden ist, das Moment der finanziellen Leistungsfähigkeit des Unter
nehmers als Vorbedingung für die Erlaubnis wiederum in das Gesetz hineingekommen wäre.
Es wird in dem Entwurf weiter gesagt, daß die Ortspolizei und Gemeindebehörde gutachtlich vor der Erteilung der Erlaubnis zu hören sei. Man hätte hier direkt einen Schritt weiter gehen und hätte anstatt Gemeindebehörde sagen können: im Einvernehmen mit der Schulbehörde oder mit den Erziehungsfaktoren; denn, meine Herren, es kommt hier nicht darauf an, daß wir lediglich der Polizei die Erteilung der Erlaubnis in die Hände geben, sondern daß diejenigen Faktoren, die berufsmäßig mit der Erziehung der Jugend zu tun haben, dabei gehört werden.
Im allgemeinen muß man den Eindruck zu vermeiden suchen, als ob sich diese Vorlage etwa gegen das Kinogewerbe als solches richtete Die finanzkräftigen Unternehmungen haben keinen Grund), etwa darüber zu jammern, und das Gewerbe wird aus einer Unsicherheit herausgehoben, die ihm bisher schädlich war, und es wird ihm eine
schlechte Beleumdung, die es heute vielfach
draußen im Volke hat, genommen, Das Gesetz ist ja auch von den größten Unternehmern in der Filmindustrie verlangt worden, und erst neulich hat noch einer der größten, der .Direkter Oliver, eine derartige Konzessionierung des Gewerbes begrüßt .im Sinne einer finanzkräftigen Unternehmerwelt, Jetzt, meine Herren, ist die Zeit, dieses Gesetz zu schaffen. Jetzt ist die Hochkonjunktur des Filmunternehmertums, jetzt können diese Unternehmer sich nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen richten, Dagegen nach dem Kriege wissen sie noch lange nicht, was werden wird, da nach dem Kriege neue Verhältnisse eintreten, Wir haben gewiß Rücksicht zu nehmen auf die wirtschaftlichen Zustände und auf die Bedürfnisse des Unternehmertums, aber auf der anderen Seite
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stehen viel höhere und größere Aufgaben uns vor Augen, und wo es sich um die sittliche Gesundheit unseres Volkes und vor allem um die sittliche Gesundheit unserer Jugend handelt, da dürfen wirtschaftliche Grunde allein nicht entscheidend sein. 7)
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Meine Herren, eigenartig berührt uns die Art und Weise, wie dieser Gesetzentwu,t eingebracht worden ist. Ich darf vielleicht aut folgendes autmerksam machen und darf die Kegierung bitten, uns darüber Aufklärung zu geben. Ler frühere Herr Staatssekretär des Innern hat am 2. Dezebmer 1916 aut eine Anfrage des Abgeordneten Mumm erklärt, dal der Bundesrat nach Friedensschluß über die Wiedervorlegung des Entwurts einer Novelle zur Gewerbeordnung im Sinne dieser Vorlage an den Keichstag Beschluß fassen werde. Irotzdem ist drei Vierteljahr später, am 3, August 1917, bereits eine Bundesratsverordnung ergangen, durch welche dieses Gesetz, das wir jetzt bekommen haben, vorweg genommen werden sollte. Der Reichstag hat in seiner Resolution vom 7. März 1917 nicht etwa dieses ein Kinogesetz verlangt, sondern eine Wiederholung der alten Vorlage von 1914, welche viel mehr vorsah; denn sie enthielt nicht allein ein Kinogesetz, sondern sah allgemein eine Novelle zu den $$ 32 und 33 der Gewerbeordnung vor. Nun frage ich: steht das etwa in irgendeiner Verbindung mit den finanziellen Operationen, die in der letzten Zeit auf dem Gebiete des Kinowesens vor sich gegangen sind? Seit dem 30, Januar 1917 ist nämlich auch die Militärverwaltung in die Branche des Kinounternehmertums eingetreten, es ist das Bildund Filmamt gegründet worden, und man hat Fragebogen an die einzelnen Kinobesitzer im Lande herumgeschickt und sie gefragt nach dem Namen, nach der Zahl der vitzplätze, nach der Lage der Kinos, nach der Spielzeit, nach dem Eintrittspreis und dergleichen mehr. Das hat man natürlich zunächst getan, um zu erfahren, in welchem Umfang die Theateraufnahmefähigkeit für die Films des Bildund Filmamtes besitzen, Dann hat man aber auch weiter gefragt, welche Bezugsquellen die einzelnen Theaterbesitzer hätten, man hat gefragt nach der Dauer der Verträge, die sie binden, man hat erfahren wollen, mit welcher Verleihanstalt und mit welcher Fabrik der Besitzer in Verbindung steht. Und, meine Herren, die Antworten auf diese Fragen sind doch zweifellos für ein geschäftliches Unternehmen von allergrößter Bedeutung,
Nun ist, wie uns die Presse berichtet, in den letzten Tagen in Deutschland ein gewaltiger Konzern im Filmwesen zustande gekommen, die Universum-Film-Aktiengesellschaft, und man sagt, daß diese Gesellschaft mit dem Bildund Filmamt in engster Verbindung stehe, Das soll in gar keiner Weise irgendein Vorwurf gegen das Bildund Filmamt sein. Daß das Bildund Filmamt mit diesem großen Unternehmerkonzern in Verbindung tritt, ist sein gutes Recht, unter Umständen sogar seine Pflicht, solange eben eine derartige Verbindung rein amtsmäßiger Natur ist. Aber, meine Herren, dagegen möchte ich mich wenden: es darf unter keinen Umständen daraus ein Monopol für eine bestimmte Gesellschaft erwachsen. Das Bildund Filmamt muß in gleicher Weise auch mil allen anderen Unternehmungen auf dem Ge biete der Filmindustrie in Vierbindung treten; denn in der Filmindustrie handelt «s sich nicht nur um wirtschaftliche Interessen — dann könnte man ja schließlich nichts dagegen haben -—, sondern es handelt sich auch um Interessen, die auf dem Gebiete der