Neue Filmwelt (May 1948)

Record Details:

Something wrong or inaccurate about this page? Let us Know!

Thanks for helping us continually improve the quality of the Lantern search engine for all of our users! We have millions of scanned pages, so user reports are incredibly helpful for us to identify places where we can improve and update the metadata.

Please describe the issue below, and click "Submit" to send your comments to our team! If you'd prefer, you can also send us an email to mhdl@commarts.wisc.edu with your comments.




We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.

Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.

trickleitern, Lichtsignale, Mordanschläge, Verkleidungen, Flucht, falsche Pässe sind unter ‘den Requisiten, mit denen der fast sechzigjährige Henry Beyle, der sich Stendhal nannte, auf der Höhe seines merkwürdigen Lebens die Handlung seiner-großartigen Zeitschilderung der italienischen Restauration in der nachnapoleonischen Epoche vorwärtstreiben läßt. Wildes Triebleben erfüllt einige seiner Gestalten, deren seelische Mechanik uns zuweilen erschauern läßt, mit gedämpfter Glut erzählt Beyle die Leidenschaften seiner »Helden«. »Den wenigen Erwählten« widmete er dieses Buch, dessen Titel einer aus dem Kreise Tiecks mit »Kerker und Kirche« überseßte, und das zwei Generationen später Weltliteratur wird. Aber neben der geistigen Wucht des Werkes, 8 das nach dem Willen und Ehrgeiz des Verfassers eine neue Psychologie und Soziologie begründen sollte, steht eine ziemlich gewöhnliche Kriminalintrige. Diese handfesten, wirksamen Effekte der äußeren Haudladg und ihre Requisiten mögen den Anstoß zu der Verfilmung gegeben haben, die man jest in Frankreich mit einem Riesenaufwand unternommen hat. Gewaltige Säle, enge Kerkerzellen, pomphafter Kostümglanz und kontrastreiche Charaktere — Beyles Roman gibt dem Film-Dramaturgen und Regisseur was des Filmes ist: Glanz und Rahmen, Spannung und Sensation, Abenteuer und Herzenskonflikte. Aber schon nach den ersten Bildern, die uns erreichen, kann man annehmen, daß der Regisseur Christian Jacque und seine Kameramänner diese wWahrhäfte Kino-Fabel zumindest in jenem beseelten Bildstil zu erzählen wissen, der schon einen vielleicht künstlerisch viel schwächeren französischen Film zu einer optischen Zauberei, einem malerischen Erlebnis werden läßt. Ein Name wie Christian Jacque und die seiner Darsteller lassen hoffen, daß die Verfilmung des StendhalWerkes darüber hinaus auch vom Geiste des großen Romanciers einen Hauch verspüren läßt. Eines Geistes, den einer der größten Psychologen gegen Ende des vorigen Jahrhunderts »das lette große Ereignis des französischen Geistes« genannt hat, »dem auch jeder billig denkende Ausländer die ersten Ehren geben muß, als einem erkennenden, vorwegnehmenden Genie, das mit einem napoleonischen Tempo durch sein unentdecktes Europa marschiert ist und zulett sich allein fand, schmerzlich allein. Es hat zweier Geschlechter bedurft, um ihm nahezukommen«. Wenn es diesem Film gelänge, einen Geist wie Stendhal nun erneut Millionen Menschen zuzuführen, ihm nach der Tiefenwir kung nun auch Breitenwirkung zu geben —, er wäre eine Tat. u“