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D
s gibt kaum eine Forderung an den Nachkriegsfilm, die nicht ie gleichzeitig in ihrem völligen Widersinn erhoben würde. Die einen rufen Traumfabrik, die anderen Gegenwartsfilm, hier reckt sich der politische Zeigefinger, dort flieht man in die Innerlichkeit. Im Gefolge der meisten Streitfragen aber steht ein Problem: Star oder Nachwuchs, vertraute oder anonyme Gesichter? Der Star ist die alte Rechnungs-Einheit des Films, in deren Stabilität man viel Aufwand-und Mühe gesteckt hat. Star sein heißt Kredit haben: das Vertrauen der Produzenten besiten, der in ihm den Garanten des Kassenerfolges, und das Vertrauen des Pu
blikums genießen, das in ihm die ideale Verkörperung dieser Rolle zu sehen glaubt. Viele der alten Werte haben inzwischen eine Währungsreform über sich ergehen lassen müssen, der Star hat seine Be-währungsreform durchzustehen.
Er muß Farbe bekennen, ob er eine farblose, geschickt geführte Figur auf dem Brettl des Films, oder eine farbige Persönlichkeit auf dem gefilmten Schachbrett des Lebens ist. Er muß zeigen, ob er sich von der Zwangsjacke, die ihm meist nicht einmal nach Maß, sondern nach Film-Konfektion verpaßt wurde, befreit hat. Er muß beweisen, daß die vielgerühmte Erfahrung nicht routinierte Schablone, sondern gewachsene Form ist. Nun offenbart sich, ob das filmhungrige Volk nur einem eingesegten Gößen seinen schuldigen Tribut oder seinen Obulus dem Diener am Werk entrichtet hat. Einige Hohepriester der göttlichen FilmMuse haben in weltferner Abgeschiedenheit vom inzwischen reformierten Leben geglaubt, mit den altbewährten Mitteln das Volk wieder in ihren Bann schlagen zu können. Zu modernisiertem Takt wollten sie es taktlos den Tanz um das goldene StarKalb aufführen lassen.
Doch es war wie ein Reigen seliger Geister, wie Schatten aus der Unterwelt, ein Spuk von vorgestern, der nun »zwischen gestern und morgen« an den jäh erwachenden Beschauern vorüberzog. Dieses Gemisch nach altem Filmrezept machte die Menschen nicht trunken, sondern groggy mit anschließendem moralischen Kater. Wie Mannequins liefen die Stars über den Laufsteg eines dünn bepinselten demokratischen Nachkriegslebens; wie Mannequins, die zur gleichen Larve rasch gewechselte Kleider trugen.
Ein Himmel voller Stars, und über uns der Albers. Dort sollte es dio Menge, hier der Über-Hans alleine schaffen. Die ZentralFigur des Films als Zentral-Figur der Nachkriegsjahre. Der Hansin-allen-Gassen, der Muskelbepackte, Unüberwindliche, der zur Aufbaufreudigkeit verschobene Schieber, sollte dem schwächsten und ärmsten Menschen der Zeit, dem Heimkehrer, Luft in die müden Lungen pumpen. Tausende individueller Zeitreportagen sind hier von einer Star-Kolportage erschlagen worden.
Im Mittelpunkt des Lebens steht der Mensch, im Blickpunkt des Filmgeschehens die Menschlichkeit und die Persönlichkeit. Wie »in jenen Tagen« der deutsche Obergefreite die Vision der Grausamkeit und Unmenschlichkeit des Krieges heraufbeschwört, gibt
Oben: Zuweilen erleben Skeptiker erfreuliche Überraschungen. Bis zur Premiere hält man häufig für eine Fehlbesetzung, was sich dann als erstaunlich richtig erweist. Irene von Meyendorfi hat es verstanden, sich von ihrem Schablone-Typ früherer Jahre so gründlich zu trennen, daß man ihr diesen Nachkriegsmenschen in Käutners »Film ohne Titel« gern glaubt. Und Hans Söhnker hat nach Kriegsende auf der Bühne wie in dieser seiner ersten Filmrolle sich als ein völlig verwandelter Charakterdarsteller von höchsten Graden erwiesen
Unten: Willy Birgel und Sybille Schmitz dagegen haben in dem Film »Zwi
schen gestern und morgen« noch nicht völlig auf jene äußeren Attribute
eines überholten Darstellungsstils und seine Mittel verzichten wollen. Ihre
Menschen interessieren als artistische Leistung, aber sie rühren nicht mehr an das Herz. (Fotos: Camera/Herzog-Filmverleih, Schorcht)