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Wir meinen jene Schatten einer historisch gewordenen Vergan.
genheit, die dem Worte Schillers entgegen, wonach die Vergangenheit ewig still ruht, durch das bewegliche Auge der Kamera vor uns auf der Leinwand zu neuem Leben erweckt werden. Vergangenheit, die Geschichte wurde, das, was gestern geschah, mit jenem es ächarkn Zusatz an Bedeutung, durch den das bloße, vergängliche Tagesgeschehen von jenen Vorkommnissen besonderer Art,
die eine weiterwirkende Kraft in sich tragen, geschieden wird.
Die Filmindustrie, unermüdlich und unersättlich im Ergreifen'
immer neuer Möglichkeiten der szenischen Abwandlung bestimmter Vorgänge, ließ sich den Ausflug in die Vergangenheit natürlich nicht entgehen. Hierbei gab zunächst durchaus die Freude am Monumentalen, an der Entfesselung ungeheurer Massen von
Komparserie in historischen Kostümen, am Einfangen farbenpräch
tiger ungewöhnlicher Bilder den Ausschlag. Und der Welterfolg,
den Filme wie »Ben Hur« und »Quo vadis«, aber auch »Der Kongreß tanzt« davon trugen, gab ihren Schöpfern durchaus recht. Hinzu kam, besonders in Deutschland, der Wunsch, den Massen ihre eigene nationale Vergangenheit in einer das völkische Emp
finden aufstachelnden Form vorzuführen und schlußendlich un
serem Volke das III. Reich als die einzig legitime und einzig
mögliche Form der Entwicklung aus chaotischer Vergangenheit darzustellen. Dies war der Weg, auf dem es begann mit den verhältnismäßig harmlosen Filmen aus der Zeit der Befreiungskriege, wie »Marschall Vorwärts« und »York«, um über die zahlreichen »Fridericus-Rex«-Filme schließlich mit »Ohm Krüger«
und »Kolberg« zu enden.
Und während wir uns pflichtbewußt an Filmen; dieser Art zu erfreuen hatten, die in. ihrer Anlage den historischen Romanen der Luise Mühlbach oder Gustav Freytags oder, um einen Neueren zu nennen, Mirko Jelusichs glichen, machte sich der historische Film in anderen: Ländern von dieser Schablone. frei und entwickelte sich zum Kunstwerk. Entsprechend jener im Formalen bestehenden Gewandtheit, die uns auf literarischem Gebiet, vor allem bei der Darstellung historischer Persönlichkeiten, durch Namen ‘wie Emil: Ludwig, Lytton Strachey und Stephan FAT bezeichnet wird, begannen die Filmautoren, sich. historische Treue und unbedingte, möglichst dokumentarisch belegte, Genauigkeit im einzelnen zum Crundsas zu machen. So entstanden Filme wie der auch in Deutschland gezeigte »Heinrich VIII.« mit Charles Laughton, der Farbfilm »Elizabeth and Essex« mit Bette Davies und Eroll Flynn (den wir hier noch nicht it sehen bekamen), oder »Queen Victoria« mit der Anne Neagle. Für alle diese Filme gilt, daß sie bei einem hohen Grad der Verfeinerung in der Darstellung, insbesondere bei der Zeichnung der Charaktere, doch durchweg einen entscheidenden Mangel aufweisen: sie zeigen den Helden losgelöst von seiner Zeit, sie-vergessen (bewußt oder unbewußt) über dem manchesmal in verschwenderischer Fülle ausgebreiteten Detail den Boden, auf dem ihre Handlung ruht, und
die in diesem unsichtbar wirkenden Kräfte sichtbar darzustellen.