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FACKELTRÄGER
REVOLUTIONÄRER KUNST
E:; war die Zeit, da die Welt nach den Erschütterungen des ersten Weltkrieges auch auf dem Felde der Kunst nach neuen Wegen suchte. Man schrieb das Jahr 1926. Der stumme Film der westlichen Welt trieb unaufhaltsam einer Krise zu. Eine Zeitlang glaubte man, daß es genügen müßte, neue Gesichter ins Licht zu stellen, um dem Film, der ın eine Sackgasse geraten war, ein neues Gesicht zu geben. Aber man sah bald ein, daß das nicht genügte: die Schöpfer der Filme mußten neue Gesichte haben, wenn sie ihrer Kunst diesen Ehrennamen erhalten wollten. Um ‚diese Zeit erreichte uns ein Werk aus Rußland, eine künstlerisch und weltanschaulich kämpferisch-humanitäre Botschaft aus der Welt des Ostens, von der wir auch auf dem Gebiet des Films nur sehr wenig wußten. Dieser glühende Ruf war der Film »Panzerkreuzer Potemkin«. Sein Schöpfer hieß Sergej M. Eisenstein, ein junger Mann von knapp 28 Jahren. Sein Land hatte bereits zu den Zielen gefunden, die 1905, das Jahr, in dem Eisenstein seinen Film angesiedelt hatte, von der revolutionären Elite des Landes erstrebt und von Tausenden geahnt wurden. Dieser Film flog wie eine Fackel in die Welt, er entfesselte in den Städten des Westens politische Debatten — und er konnte sie mit solcher Intensität ‚entfesseln, weil er auch ein künstlerisches Fanal war.
22 Jahre sind seit jenen Tagen vergangen, da wir im Apollo"Theater in Berlin diesen Filmsahen. Es ist wahr: Wir sind seitiher manchen bitteren Weg gegangen, links und rechts von uns schlugen Granaten ein, und die Erde tat sich vor unseren Augen mehr als einmal auf. Aber auch diese Fülle grauenvoller erlebter Wirklichkeiten hat die Erinnerung an jenen ‚großen russischen Film nicht zu verwischen vermocht: Die Erinnerung an die Szenen im Hafen von Odessa, da die zaristische Infanterie mit gefälltem Bajonett zum Hafen hinunterstürmt, da unschuldige Menschen, friedliche Arbeiter fallen und da ein Kinderwagen inmitten des Tumults einsam die große Freitreppe hinabrolli. Mit diesem Film hatte Sergej M. Eisenstein die Kamera wieder entdeckt, er gab der Welt neue Augen. Es war das seine zweite Arbeit. Und nun begann eine rastlose Tätigkeit. Er wurde als Theoretiker des Films sehr produktiv, er unternahm große Auslandsreisen, auf ıdenen u.a. sein Dokumentarfilm »Mexiko« entstand, der Fragıment geblieben ist. Er wandte sich, nun wieder’in Rußland, dem geschichtlichen Film zu und es entstanden der Film » Alexander
Newskij« und, als erster Teil einer Trilogie, der Film »Iwan der
Schreckliche«. Den zweiten Teil dieses Films konnte er nicht mehr vollenden. Eine schwere Krankheit warf den Fünfzigjährigen aus allen Plänen, aus einer Arbeit, von der die Kunst des Films noch so vieles zu erwarten hatte.
Vielfältig waren die Ehrungen, die ihm seine Arbeit, seine Werke eintrugen: Eisenstein war Professor des Staatlichen Instituts für Kinematographie und Leiter der wissenschaftlichen Abteilung für Geschichte der Filmkunst an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in Moskau. Die Welt des Films hat einen ihrer Leidenschaftlichsten, einen ihrer Besten verloren.
Szenen aus »Panzerkreuzer Potemkin«, Eisensteins unvergessenem Meisterwerk (Fotos: Sovexport, DEFA-Archiv)