UFA Magazin (Aug 1926-Jan 1927)

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sittlichen Gehalt zu geben und in dieser Auffassung dem Volksbewußtsein — ja dem Weltbewußtsein — einen neuen Faust zu schenken. Der sinnlich-irdische Faust der Sage ist damit vernichtet, der immer strebend sich bemühende Heros ist erstanden. Die abwechslungsreiche Bühnengeschichte von Goethes Faust beweist, welche Schwierigkeiten es bot, die in dramatischer Form gegebene Dichtung szenisch zu bewältigen. Es ist nicht nur der für Goethes Frühzeit charakteristische häufige Szenenwechsel, die schnell vorüberrauschenden, den Zusammenhang mit der Handlung nicht immer klar lassenden flüchtigen Bilder. Es sind daneben, angefangen von der Erscheinung des Herrn der Himmlischen Heerscharen bis zur Erscheinung der Mater gloriosa eine Fülle von Problemen, die sich dem Bühnenleiter auftun und ihn um so mehr verwirren, je mehr er sich in sie versenkt. Als noch zu Goethes Lebzeiten die ersten Faustaufführungen inszeniert wurden, handelt es sich nur um der Tragödie ersten Teil, der zweite Teil erschien ja erst nach Goethes Tode, und es hat lange gedauert, bis man auch diesen für die Bühne zu gewinnen suchte. Und im Volksbewußtsein existiert ja in der Hauptsache nur der Faust des ersten Teils, unzertrennlich von der rührenden Gestalt des einfachen Bürgermädchens, das sich dem gereiften Manne in grenzenloser Liebe hingibt. Diese Gretchen-Episode, die unter der Hand des Dichters eine besondere Tragödie wird, hat auf die Volksphantasie eine ganz besondere Anziehungskraft ausgeübt und mußte als populärster Bestandteil auch für die Verfilmung von ausschlaggebender Bedeutung sein, sobald man den Faust dafür ins Auge faßte. Wie im übrigen dieses Motiv zu behandeln ist, soll hier weiter nicht untersucht werden; nur das sei gesagt, daß der Film als die heute volkstümlichste Kunst, sich auch an das Volkstümliche halten sollte. Wie die Sage unbewußt die Geschehnisse umwandelt, der Dichter aus der Sage nimmt, was ihm gutdünkt und nach den Erfordernissen und seinen besonderen Absichten um und ausgestaltet, so hat auch die Bühne bei der Vorführung einen gewissen Spielraum, der vielleicht meist nicht frei genug ausgenutzt wird. Goethe selbst gesteht der Bühne die Freiheit zu, das geschriebene Werk nach ihren Bedürfnissen zu modifizieren. Ja, er liebte es, den Schauspielern nur ein Schema der dramatischen Handlung zu geben und dessen Ausfüllung improvisatorischer Eingebung zu überlassen. Es wird auch berichtet, daß Goethe, wenn er selbst auf der Weimarer Liebhaberbühne auftrat, die von ihm schlecht gelernte Rolle durch Improvisationen ergänzte, wodurch die auf das Stichwort wartenden Mitspieler in Verlegenheit kamen. Aber wenn wir bei einem Werke Goethes auch die Worte des Dichters unverfälscht und möglichst unverkürzt vernehmen wollen, so bleibt doch für ihre Auffassung, ihre Betonung, dem Schauspieler noch viel überlassen, und wieviel hat er nicht durch seine Persönlichkeit hinzuzutun, wieviel bleibt dem Zusammenspiel, der Inszenierung, der Regie überlassen, um das Schauspiel nicht nur darzustellen, sondern auch zu interpretieren. Wenn nun der Film eine besondere, fortgebildete Art der Bühnenkunst ist, so wird man ihm auch nicht eine Fessel anlegen können, um so weniger, als er ohne Worte arbeitet und nur die durch diese geweckten bildlichen Vorstellungen, zur Erscheinung bringt. Wie Sage, Dichtung und Bühne, so hat auch der Film seine eigenen Gesetze, nach denen es ihm erlaubt und geboten ist, die durch die Dichtung volkstümlich gewordenen Gestalten in seiner Weise zu benutzen. Er kann dabei Motive auslassen oder weiter ausbauen, Andeutungen des Dichters zu eigenen neuen Bilderreihen benutzen, wird wohl auch im Falle des Faust auf Motive der Sage zurückgreifen können. Manches, was auf der Bühne unmöglich ist, kann der Film leisten, in anderem wird er dieser Anregungen für Auffassung und Ausgestaltung der Szene zu geben imstande sein. Alles andere mag die Kritik entscheiden. Immer wird aber der Film ein Verdienst haben, wenn er zum Verständnis der Dichtung beiträgt und zu ihr hinführt.