UFA Magazin (Aug 1926-Jan 1927)

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REVOLUTION DER MODE VON MARLICE HINZ Auch in der Mode gibt es Freiheitsbesfrebungen, Aufstände und Revolutionen. Das abgeschnittene Haar, der kurze Rock, das freie Bein, die Reduktion der weiblichen Bekleidung auf ein Minimum und der Versuch, selbst die natürliche Erscheinung der Frau umzuformen, was sind sie anderes, als Begleiterscheinungen großer Umwälzungen auf dem Gebiete der Mode. Sie sind eine Folge des Krieges und müssen überwunden werden, ebenso wie viele Exzentrizitäten des Tanzes und des Sports. Alle diese Uebertreibungen und Ungebundenheiten sind auf dem Wege, eine gesunde Reaktion hervorzurufen, die, in Debatten und heißen Auseinandersetzungen geübt, täglich an Boden gewinnt. Hüten wir uns jedoch, in solch wichtigen „Weltfragen" unüberlegt und leichtfertig oder nur aus Freude am Widerspruch Stellung zu nehmen. Die Revolutionäre dürfen nicht zu streng bestraft, nicht wieder ganz der errungenen Freiheit beraubt werden. Man kann nicht sagen: das lange Haar ist für alle Zeiten erledigt, denn das hieße die Behauptung aufstellen, das abgeschnittene Haar wäre jetzt das einzig Mögliche. Hier kann nur die Zeit entscheiden, für uns Lebende behalten noch beide Lösungen ihre Geltung, nebeneinander, je nach der individuellen Einstellung der Trägerin. Für den modischen Ausdruck aber bedeuten zweierlei Grundformen der Frisur eine Bereicherung der Ausdrucksmöglichkeit und die Frauen müssen entzückt sein, statt einer allgemeinen Lösung mit einer Variante rechnen zu können, die ihnen Gelegenheit gibt, sich nach Wahl am besten zur Geltung zu bringen. Rein praktische Gesichtspunkte und Erwägungen aber sind auf dem Gebiete der Mode nie brauchbare Ausgangspunkte gewesen. Die starke Einbürgerung, die das abgeschnittene Haar sich errungen hat, ist mehr auf die Freude an einer modischen Neuerung zurückzuführen, als auf Forderungen der Vernunft oder der Logik. Der kurze Rock hat, ebenso wie das kurze Haar, unbestrittene Vorzüge. Er ist, seiner Entstehung nach betrachtet, eine Begleiterscheinung der gymnastischen und sportlichen Betätigung der modernen Frau, die im Namen der Volksgesundheit nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Aber muß er deswegen auch beim Abendkleid, der großen Toilette, Verwendung finden? Gewiß dient er den Ansprüchen der zur Zeit herrschenden, der Negromanie entsprechenden, primitiven und extatischen Tänzen. Aber sind wir nicht schon auf dem Wege, diese Tänze und ihre Musik entbehren zu können? Haben wir nicht schon damit angefangen, wieder Geselligkeit größeren Stils zu treiben, die Toiletten fordert, und statt primitiver Ausdrucksformen all das Drum und Dran, das uns die Kultur von Jahrhunderten europäischer Gesellschaftsform hinterlassen hat? Dem kurzen Rock sein Recht, am Tage, beim Sport und auf der Straße, dem Abendkleid aber das uralte Vorrecht eine Toilette darstellen zu dürfen, mit einer anderen Absicht als der unbehinderter Beweglichkeit, die das Parkett nicht verlangt. Das freie Bein ist nicht die Folge des kurzen Rockes, sondern umgekehrt, das einmal entfesselte Bein hat den Rock verdrängt. Aus dem Dunkel und der Knechtschaft langer Röcke ist das Bein ins Tageslicht hervorgetreten und hat. von der gewonnenen Freiheit berauscht und im Triumph seiner Linie, begonnen, die Umgebung zu beherrschen und zu tyrannisieren, in parvenühafter Selbstüberhebung sein Daseinsrecht übertreibend. Diese Uebertreibung muß der beginnenden Reaktion am ersten zum Opfer fallen. Sorgen wir nur dafür, daß die gewonnene Freiheit dabei nicht ganz verloren geht. Die Zeit der Umwälzungen und Unruhen ist hinter uns. Auch in der Mode kehrt wieder eine allgemein anerkannte Verfassung und eine strenge Disziplin zurück. Wiederum werden auch ihre Schöpfungen mehr aus Freude am Dasein als aus mehr oder weniger zei. gemäßen Theorien und Abstraktionen heraus geschaffen. Wiederum kommt die schöpferische Phantasie zu ihrem Recht und übt auf der neugegebenen Grundlage ihre uralte Absicht aus: die Frau zu schmücken!