UFA Magazin (Jan-Jun 1927)

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Vom russischen Film Von Anna Pawlowa Ich bin Tänzerin. Ich lebe nur meiner Kunst, ich habe mich niemals eingehender mit dem Film befaßt und bin für den Film nur Publikum. Immerhin — ich brauche gewiß nicht besonders zu betonen, daß mir der russische Film näher steht als jeder andere. Ich lebe nunmehr seit mehr als zwölf Jahren fern von Rußland und kenne selbstverständlich nur jene russischen Filme, die auch dem deutschen Publikum bekannt geworden sind. Diese Filme haben mir die russische Filmkunst vermittelt, und wenn ich über diese Filme spreche, so kann ich das nur tun, weil ich die russische Seele kenne, die Seele des Volkes, die im Film Anna Pawlowa, selbstverständlich ebenso stark zum Aus die wehberühmte Tänzerin, druck kommt wie in den anderen Kunstarten. die Verfasserin des vorstehenden Artikels Zwischen den Bestrebungen der europäi schen und der amerikanischen Filmproduktion besteht gewissermaßen eine geistige Verwandtschaft — der russische Film steht allein, fast vollkommen isoliert da. Er weist andere Bestrebungen auf, er strebt nach anderen Idealen, er hat sich andere Ziele gesteckt. Die Russen suchen das Realistische. Der Film, den sie machen, bedeutet eine Art Hyperrealismus. Der russische Regisseur ist nüchtern und führt einen entschlossenen Kampf gegen den poetischen Aesthetizismus. So weit geht er in diesem Kampf, daß er sogar das „Spiel" auszuschalten sucht und den Versuch wagt, mit Menschen, die aus der Atmosphäre der eigenen Zeitgeschichte gegriffen werden, seinen Film zu drehen. Er braucht keine Darsteller, sondern eben Menschen. Der Russe fährt, um ein Beispiel anzuführen, wenn er ein Drama aus dem Kaukasus drehen will, dorthin, sucht sich dort die Menschen aus, mit denen er seine Figuren darstellen lassen will; er hält die erhabene Größe der kaukasischen Berge und ein Stück kaukasisches Leben auf seinen Streifen fest: das ist sein Film, und so natürlich baut er sein Drama auf. Dagegen wird in der Hand des deutschen Regisseurs die von George Sand erdachte einfache Geschichte von der kleinen Grille zu einer romantischen Begebenheit, und die Figuren, die einst tatsächlich gelebt haben, wie etwa Rothschild, werden bei ihm zu Gestalten, die wie Märchenfiguren anmuten. Chaplin erzählt uns wahrheitsgetreu von dem schweren Los der Goldgräber, aber wie er es erzählt und was er daraus macht, klingt wieder wie ein Märchen. Die Flucht der „Sperlinge Gottes" ist ebenso ein Märchen, wie auch all die phantastischen Abenteuer von Douglas Fairbanks nichts weiter als Märchenerzählungen sind. Die großen Kinder von heute wollen aber ihre Märchen haben. Sie flüchten aus dem nervenzerfressenden Tempo eben dieses realen Lebens in die Märchenwelt, und die allabendliche Romantik des Films umfängt sie mit einem wohltuenden Rausch. Der Film soll für die Menschheit etwas Aehnliches bedeuten wie Tanz oder Musik: er soll erschüttern und begeistern, er soll aber in erster Linie erfreuen und erleichtern.