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Harold Lloyd
MEIN LEBEN
Niemand kann mir nachsagen, da& ich ein schönes Kind gewesen sei, im Gegenteil: meine Sommersprossen machten mich zum abstoßendsten Kind weit und breit. In der Schule taugte ich nicht viel, nicht gerade, daf3 ich schwer von Begriff gewesen wäre, aber ich hatte den Kopf meistens mit Dingen voll, die mich viel mehrinteres sierten ab das, was der Mann auf dem Katheder erzählte. Als ich die vierte Volksschulklasse besuchte, verursachte ich einmal einen großen Skandal, der die ganze Stadt in Aufregung versetzte. Ich hatte irgendeine kleine Lausbüberei verübt, der Lehrer aber wollte mich in derdamalsüblichenWeise züchtigen. Ich muhte die Hand ausstrecken, er nahm ein großes Lineal und holte weit aus . . , ich die Hand aber im allerletzten Augenblick fort und — das Lineal traf das Knie meines Peinigers.
Mein erstes Geld verdiente ich mit einem Bonbongeschäft. Später wollte ich Boxer werden, aber ich hatte damit kein Glück. In San Diego sah ich zum erstenmal eine Filmkamera. Damals hatte die Edison-FilmGesellschaft in Long Beach ein Atelier errichtet, die Truppe kam des öfteren nach San Diego, um dort Außenaufnahmen zu machen, und einmal brauchte sie Komparsen. Ich spielte einen Indianer und habe furchtbar ausgesehen. Das war mein erstes und leider für lange Zeit letztes Zusammentreffen mit dem Film. Dann kam ich wieder zum Theater, dem ich schon als siebenjähriger Knabe angehört hatte, und dann studierte ich wieder einmal an der Universität von San Diego irgend etwas.
Ich weiß nicht, ob es viele Dinge gibt, die schwieriger sind als der Versuch, zum Film zu kommen. Für mich war es jedenfalls das schwierigste, enttäuschendste und hoffnungsloseste Problem. Die paar Regisseure, an die ich nach zahllosen Schwierigkeiten und harten Geduldsproben herankam, erklärten mir erbarmungslos, ich sei kein Filmtyp. Das bekomme ich übrigens noch
Er1' ah Schauspieler und in Zivil
heute oft zu hören, und erst kürzlich sagte mir der berühmteste New Yorker Filmkritiker: „Wissen Sie. Lloyd, wenn ich einen Filmkomiker suchen wollte — Sie wären der letzte, auf den ich kommen würde."
Da stand ich nun mit hungrigen Blicken
vor den Ateliersund hörte manchmal von fern die Stimmender berühmten l'ilmregis seure. Einmal sah ich Griffith, einmal Mc Sennett. Endlich bekam ich ein paar Tage Arbeit bei der lidison Film Gesellschaft als Komparse. Das Schönste an der ersten Aufnahme war der Freitisch. Ein riesiges Zelt, darin ein großer Tisch, schwer beladen mit köstlichen warmen Speisen. Als diese paar Glückstage vorüber waren, besuchte ich eine Stehbierhalle in der Nähe des Ateliers, wo die meisten Komparsen ihr Mittagbrot verzehrten. Mit meinen Annäherungsversuchen hatte ich jedoch keinen Erlolg. Da kam mir eine rettende Idee: Ich maskierte mich mit Schminke und Perücke, nahm ein Köfferchen in die Hand und mischte mich unter die Komparsen. Und so kam ich hinein. Ich bestürmte den Hilfsregisseur tagelang, der schließlich weich wurde und mich einstellte. Drei Dollar pro Tag war die erste Gage. So kam ich schließlich vorwärts. Damit ist nicht gesagt, daß man mit Ausdauer unbedingt den Weg vom Filmkomparsen zum Star zurücklegen muß. In den meisten Fällen nützt auch Ausdauer blutwenig. Aber ich hatte Glück, und das ist eben das Ausschlaggebende.
Am Anfang meiner schauspielerischen Laufbahn hatte ich noch den Ehrgeiz, tragische Rollen zu spielen. Da ich aber unmöglich einen traurigen Eindruck erzielen konnte, machte sich ein Spaßvogel den Witz, mir einmal eine Hornbrille aufzusetzen. Es waren scharfe Gläser, und da ich sehr gute Augen habe, blinzelte ich und machte ein sehr böses Gesicht. Es war ein unsagbar komischer Anblick, und — damit war mein Schicksal besiegelt: Ich ließ nicht mehr von der Brille, und sie hat meinen Weg gemacht.